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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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ganz unbewusst, es ist ein Instinkt.
    Ich mache die Probe aufs Exempel. Stelle mir vor, ich wäre zurück in einer der Sphären: rehabilitiert, hoch angesehen, eine glänzende Zukunft vor Augen. Sandor dagegen wäre einer der Arbeiter in der Recyclingstation: das schwarze Haar nach Vorschrift kurz geschnitten, statt dem ledernen Falknerhandschuh Schutzhandschuhe aus Kevlar. Ein formloser grüngrauer Overall. Klobige Schuhe.
    Ich habe das Bild klar vor mir, aber es ändert nichts. Ich sehne mich immer noch nach ihm.
    Mit einem Seufzen rolle ich mich zusammen, ziehe meine Decke noch enger um mich. Spüre plötzlich eine Hand in meinem Haar.
    »Ria? Ist alles in Ordnung?«
    »Hm? Ja, natürlich. Schlaf nur weiter.«
    Aureljo zieht seine Hand nicht gleich zurück, er streichelt mich, bis ich ihn durch tiefe, gleichmäßige Atemzüge glauben mache, dass ich wieder eingeschlafen bin. Hinter meinen geschlossenen Lidern brennen Tränen, sie bahnen sich ihren Weg, laufen meine Wangen hinunter. Entfalten ihre betäubende Wirkung und lassen mich irgendwann tatsächlich einschlafen.
    Wir erhalten keine Nachricht am nächsten Tag und auch nicht am übernächsten. Unsere Vorräte sind ausreichend für drei Tage und mir beginnt zu dämmern, dass sich vorher niemand blicken lassen wird. Das bedeutet, die Krise ist noch nicht vorbei. Es gibt keine Entwarnung. Wer weiß, wie viele Dornen verletzt oben in der Halle liegen. Wie viele noch getötet wurden.
    Mehr denn je fühlt sich unser Gewölbe wie eine Gruft an. Als wäre ich lebendig begraben, abgeschnitten von den Menschen und der restlichen atmenden Welt. Abgeschnitten von aller Information. Um die dahinkriechende Zeit schneller vergehen zu lassen, drehe ich eine Runde durch die Schächte und Kanäle, ohne Ziel, nur um mich zu bewegen. Aber ich beeile mich, denn falls Fiore oder Quirin vorbeikommen sollten, will ich da sein und Fragen stellen können.
    Bojan kommt am Morgen des dritten Tages; er bringt neue Vorräte und zwei Kanister mit frischem Wasser. Ich habe ihn noch nie so müde gesehen, und als ich ihm anbiete, mit uns gemeinsam zu frühstücken, nimmt er lächelnd an.
    Vilem lebt noch. Die Mitteilung lässt mich aufatmen.
    »Er ist selten bei Bewusstsein und hat Fieber, immer wieder auch Fieberkrämpfe«, berichtet Bojan. »Laut Quirin ist er aber noch nicht über den Berg. Lennis ist verletzt worden und hätte fast sein linkes Auge verloren, der Schlag ist nur ein paar Millimeter danebengegangen.« Bojan beißt in einen der harten Fladen, dass es kracht. »Glück im Unglück.«
    Ich reiche ihm einen Becher mit Wasser. »Lass ihn von mir grüßen, aber unauffällig.«
    Bojan nickt kauend. »Mache ich.«
    »Gibt es weitere Verletzte? Tote? Jemand, den wir kennen?«
    »Es war nicht so schlimm, die letzten Tage. Sandor sagt, in Gedanken sind die Feindclans schon auf dem Rückzug. Ein heftigerer Schlag muss uns noch gelingen, meint er, dann hauen sie ab.«
    Entweder das oder sie halten still, bis Verstärkung kommt.
    »Habt ihr in letzter Zeit Sentinel gesichtet?«
    Bojan hat gerade wieder den Mund voll, also schüttelt er nur den Kopf, kaut hastig und schluckt. »Keine Spur von ihnen. Wenn die Clans Krieg führen, halten sie sich meistens im Hintergrund.«
    Nach dem Frühstück beschließe ich, einen Abstecher in den Tiefspeicher zu machen. Um mich zu beschäftigen und um das Buch über Falknerei mitzunehmen. Darin zu blättern, wird ein wenig so sein, wie sich mit Sandor zu unterhalten.
    Ich schalte die beiden Lampen ein und blicke mich um. Was, wenn das hier alles ist, womit ich den Rest meines Lebens verbringen werde? Wenn die Situation an der Oberfläche schlimmer und nicht besser wird? Werde ich es ertragen und meine Hoffnung von einem Tag auf den nächsten verschieben oder werde ich irgendwann ausbrechen, ohne Rücksicht auf mein Leben?
    Ich kann die zweite Variante nicht ausschließen und sie macht mir Angst. Zum Glück faszinieren mich derzeit die Bücher noch so sehr, dass ich meine innere Unruhe beiseiteschieben kann.
    Ich hebe eins nach dem anderen vom Boden auf, blättere sie durch, lege sie auf einen passenden Stapel. Nach einer halben Stunde habe ich einen Rhythmus gefunden, der mich ruhig werden lässt. Ein Buch, das nächste, das nächste.
    Fast hätte ich das lose Blatt übersehen, das nur wenige Millimeter aus einer Beethoven-Biografie herausragt. Ich greife vorsichtig mit zwei Fingern danach und ziehe, weiß sofort, dass es ein weiteres Puzzlestück ist, das

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