Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
Vom Netzwerk:
halten Sie sich die Schmerzen vom Leib.«
    »Wenn Sie es sagen   …«
    »Gut«, sagte sie nach ein paar Minuten. »Wir haben da eine traumatisch bedingte Irritation, die mir das Licht in Ihren Kellern auslöscht. Ein Geschehen in der Vergangenheit hat Todesangst bewirkt. Dadurch ist eine völlige Überreizung Ihres Betriebssystems entstanden. Sie haben in früher Jugend und dann noch einmal einen psychoemotionalen Hieb bekommen, unter dem Sie sich noch immer wegducken. Die Hand des Schicksals, gewissermaßen.«
    »Wenn Sie es sagen, kann ich es fühlen.«
    »Der Mensch ist opus dei , also das Werk Gottes, aber bei Ihnen liegt das leider anders. Sie glauben, eine Art Heiland zu sein, salvator mundi , der Retter der anderen. Das kann nicht gut gehen. Sie blockieren sich damit selbst.«
    »Polizistenkrankheit«, sagte Velsmann.
    »Bei Ihnen geht das viel tiefer.«
    »Was Sie eigentlich meinen ist, dass ich wahnsinnig bin?«
    »Nicht so dramatisch! Nein, nein.«
    »Sondern?«
    »Ich kann ja Ihre gesunde Coagulatio spüren, auch wenn sie ein bisschen in Unordnung gebracht ist, das sagte ich ja schon. Aber wenn Sie solche Begriffe verwenden, und das ist ja auch erhellend, dann sage ich Ihnen Folgendes: Wahnsinnig sein heißt, weder völlig gesund noch völlig krank zu sein. Der Wahnsinnige wird nur wie ein Rad umgewälzt. Und eine Krankheit ist das eigentlich überhaupt nicht.«
    »Wer außer Ihnen weiß das noch   –«
    »Drehen Sie sich jetzt mal auf den Bauch.«
    Sie schrieb etwas auf einen länglichen Block. Dann schob sie sein Hemd hoch und legte zwei Finger auf sein Steißbein.
    »Ich hatte eigentlich Kopfschmerzen, meine Therapeutin.«
    »Den Kopf spüre ich hier unten.«
    Velsmann empfand es als äußerst angenehm, wie ihre Finger über seine Wirbelsäule krabbelten. Er musste sich bemühen, nicht einzuschlafen. Sie klopfte mit den Fingerkuppen sanft auf sein Skelett. Velsmann hörte die Geräusche in das monumentale, mittelalterliche Hospital seines Schädels steigen und dort in den Gewölben verweilen. Dann wurde es ruhig und danach hell in seinem Kopf.
    Sie sagte: »Alles ist einfach. Einfach wie das Licht. Das Licht sind die Millionen Engel. Das Licht hat Flügel. Alles ist selbstverständlich da. Seien auch Sie selbstverständlich da. Und gehen Sie Ihren Weg zu Ende.   – Übrigens, haben Sie Schmerzen hier an diesem Wirbel?«
    »Ja.«
    »Hervorragend«, meinte Jane Porethe.
    Sie strich mit den Händen über sein Rückgrat, als bereite sie einen Pizzateig. Dann nahm sie die Pizza und warf sie in die Luft, wo sie sich drehte. Sie fing sie auf und legte sie zurück.
    »Ah!« machte Velsmann nur.
    »Das schmeckt, was?«, sagte Porethe befriedigt. »Sie können sich jetzt aufsetzen.«
    Velsmann hatte das Gefühl, eine Ewigkeit sei vergangen. War die Welt noch da? Er blickte aus dem Fenster. Draußen lag das Licht auf den leuchtenden Schirmen eines lilafarbenen Rhododendrons. Martin Velsmann sah auf die Uhr. Es war lediglich zwanzig Minuten später geworden.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte Porethe und lächelte ihm zu. »Sie waren in Ihrem Keller. Das ist ja eigentlich gut, wir hatten es so besprochen, und Sie sind dem gefolgt. Nur haben Sie vergessen, das Licht einzuschalten. Wie wollen Sie dann aber Ihre eingebuddelten Geheimnisse finden? Vielleicht genügt diese eine Sitzung. Vielleicht gibt es auch einen Rückfall.«
    Velsmann nickte wortlos. Er verspürte keine Lust, irgendetwas zu sagen.
    Sie übernahm das Reden. »Ihnen fehlt etwas, das ich bisher nur einmal in solcher Reinheit erlebt habe, und zwar bei einem alten Mann, der kurz vor seinem Krebstod stand.«
    »Und was ist das?«
    »Eine geradezu blödsinnige Abwesenheit von Angst.«
    »Das klingt nicht freundlich.«
    »Natürlich ist dadurch auch die Gefühlswelt in Mitleidenschaft gezogen. Sie flüchten gern, Sie flanieren, Sie bleiben gern länger ohne Aufsicht, gewissermaßen. Schwierigkeiten mit Vorgesetzten. Wurschtigkeit. Kamikazehaltung. Und wenn Sie sich in etwas verbeißen, dann wie ein Pitbull in das Bein seines Opfers.«
    »Ich bin Polizist.«
    »Sie müssen aufpassen. So zornig und fantasiebegabt wie Sie sind, ich sagte es schon, produzieren Sie gewaltige Halden von Emotionen, von Wut und Liebe und von äußerst kreativen Einfällen. Warum Sie Polizist geworden sind, ist mir ein völliges Rätsel.«
    »Mir eigentlich auch. Vielleicht durch die blödsinnige Abwesenheit von Angst.«
    »In Gefahr gerät man in solchen Fällen dadurch,

Weitere Kostenlose Bücher