Die verzauberten Frauen
Entscheidungen treffen. Deshalb bin ich übrigens auch hier. Ich bitte Sie, mir ein paar Fragen zu beantworten.«
»Furtwängler –«
»Herr Sievers, ich brauche Antworten! Verstehen Sie?«
Der Mann stützte sich auf seine langstielige Grabegabel. »Ja, dann fragen Sie doch erstmal!«
Martin Velsmann wischte sich über die Stirn. Es war schon heiß in diesem Frühjahr, selbst am Abend, nach Dienstschluss. Und dieses Jahr hatte sogar noch ein besonderes Geschenk parat, pünktlich zum Wochenende verzogen sich alle Wolken. Im Garten des Brentanohauses waren die Magnolien in rosa und weißer Pracht bereits voll erblüht, eine eigene Welt voller duftender, fettleibiger Lampenschirme.
»Meine Kollegin Karen Breitenbach hat Sie mir empfohlen.«
»Ah, Karen, ich habe auf der Polizeischule über Gärten und Spurensicherung referiert, schöne Grüße an sie!«
»Danke. Ich wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Von der Familie ist offiziell nichts zu erfahren. Aber mich interessiert der Fall, ich wurde schon als Junge damit konfrontiert. Damals war ich im Kloster Eberbach.«
»Ihre Frage?«
»Weshalb ist dieses Papier dem Brentanohaus angeboten worden? Die zweite Frage: von wem? Wer hat es den Brentanos angeboten?«
»Tja. Das sind drei Fragen …«
»Nein, zwei.«
Der Mann blickte sich nach allen Seiten um, als habe er etwas zu befürchten. Er atmete schwer. Velsmann wusste, er war kein Gärtner, sondern einer der beiden Archivare der Familie Brentano. Das hier musste sein Pausenprogramm sein. Er wusste Bescheid, das war ihm klar.
»Ich darf offiziell nichts sagen, das verstehen Sie sicher als Polizist. Und es handelt sich ja auch nicht um eine Ermittlung. Ich bin also zu nichts verpflichtet.«
»Zu gar nichts. Die sympathische Karen dachte nur sofort an Sie, ich konnte sie gar nicht bremsen.«
Der Mann blickte Velsmann forschend in die Augen. »Diese Handschrift geht uns überhaupt nichts an. Schon gar nicht, wenn damit so viel historischer Klamauk verbunden wird. Die Familie lebt zurückgezogen, sie hat kein Interesse an Medienrummel. Wir haben hier auch ganz ausdrücklich kein öffentliches Museum. Aber das Bundesarchiv, in dem diese Schrift vor zwei Wochen aufgetaucht ist, behauptet, darauf würde ein zweiter Text sichtbar werden. Eine Art Subtext, verstehen Sie, darübergelegt. Natürlich zu einem späteren Zeitpunkt, das ist ja klar.«
»Und?«
»Und dieser Text könnte von Clemens von Brentano sein.«
»Der Dichter mit der Sieben? Das ist überraschend.«
»Wie bitte?«
»Ach nichts, eine Kindheitserinnerung. Können Sie das bestätigen?«
»Ich kann nichts dergleichen. Ich muss graben.«
»Bevor Sie das tun – warum sollte der Dichter diesen Wisch beschrieben haben? Und wenn, warum wird darum eine solche Geheimniskrämerei veranstaltet? Geht es um den Bestand der Bundesrepublik Deutschland?«
»Wie war noch gleich Ihr Name?«
»Martin Velsmann, Inspektor der Fuldaer Kripo.«
»Und warum interessieren Sie sich für diesen Vorgang? Wir sind hier im Rheingau. Sind sie nach Feierabend Literaturfreund?«
»Nein.«
»Na sehen Sie!«
»Ich bin schon vor Feierabend Literaturfreund.« Velsmann versuchte, sich zu erinnern. » … Meine Seele ist so gereizt, dass die kleinste Freude wie ein Feuer durch sie rollt, und ich kann wahrlich durch die Berührung heiliger Reliquien geheilt werden. – Oder nicht!«
»Na schau mal an!«
»Reicht das noch nicht? Wie wäre es mit: Auf seiner Geliebten lag das Buch aufgeschlagen, wo sie hingeschrieben hatte, dass sie ihn liebte, und wie er so auf das Buch weinte, sah er Zeilen zwischen den anderen erscheinen. «
Velsmanns Gegenüber wurde so blass, dass er befürchtete, ihn gleich auf ausgehackte, braune Erdklumpen, an denen Grasbüschel saßen, sinken zu sehen.
»Verdammt, Herr Velsmann! Jetzt lassen Sie mich aber in Ruhe!«
»Was haben Sie!«
»Sie zitieren aus der Chronika , oder etwa nicht? Woher wissen Sie das?«
»Weiß ich was?!«
»Mein Gott, das ist der Text von Clemens, der auf diesem nervigen Pergament sichtbar geworden ist, nachdem man es entsprechend behandelt hat!«
Velsmann war verblüfft. »Im Ernst?«
»Nein, ich mache Spaß, hahaha, ich bin Didi Hallervorden, der Gärtner! Jetzt ist es aber genug, lassen Sie mich arbeiten. Ich habe schon zu viel gesagt. Sie sind doch Polizist! Machen Sie eine Hausdurchsuchung, dann fällt Ihnen die Handschrift automatisch in die Hände.«
»Ich arbeite nicht offiziell an
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