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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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dieser Landschaft berührte ihn und betäubte ihn.
    Er brauchte das alles, was er hier sah. Die große, wilde Schlucht, die in uns etwas weckt, das lange verschüttet ist, wie viele waren vor ihm in seiner Lage gewesen! Er sah sie alle im Geiste, den endlosen Strom von Reisenden, die Träger der Botschaft, wie sie über diese herrliche Landschaft geblickt hatten! Er war einer von ihnen, er konnte darauf nicht verzichten. Aber jedes Menschen Zeit läuft einmal ab. Und es war ihm klar, wie allen vor ihm, dass er nie mehr zurückkommen durfte.

ANFANG APRIL 1983
    Martin Velsmanns Tage waren in unerträglicher Weise überfüllt. Wenn er spät abends schlafen ging, empfand er das als Rettung. Und dann lag er oft wach, um die Rettung auch zu genießen.
    Er war nicht Tänzer geworden. Er war Polizist geworden. Das Leben hatte ihn umgewendet.
    Vielleicht war er Polizist geworden, weil er nicht auf die Erfüllung irgendeiner Prophezeiung warten wollte. Er wollte den Schrecken festnageln, an jedem Tatort bannen, zu dem man ihn rief. Er hatte nicht wirklich darüber nachgedacht, aber wenn er Auskunft geben musste, dann sagte er: Klare, fest umrissene Aufgaben, das ist es, was ich will. Ich will alles nur einmal erleben und dann abhaken wie einen Fall. Glaubte man ihm das? Er selbst war sich nicht sicher. Aber irgendeine handfeste Erklärung über sich braucht jeder Mensch, um nicht auf die große Krise im hinteren Teil seines Lebens warten zu müssen.
    Wie soll man das nennen, was mir gerade passiert, dachte er an diesem Morgen. Führe ich es herbei? Oder ist alles von vornherein festgelegt? Das Leben läuft auf Schienen, es gibt wenig Weichen, die man stellen kann. Man hat gar keine Kraft, zurückzuschauen, um zu sehen, ob man das alles wirklich wollte. Er fragte sich, inwieweit Andrea daran schuld war, dass er sich mutlos fühlte. Aber solche Überlegungen konnte er schon gar nicht gebrauchen. Selbstmitleid! Um Gottes Willen!
    Er sprang aus dem Bett. Andrea war schon in der Küche, Martin Velsmann riss den Fenstervorhang auf und blickte auf das zarte Grün der Apfelbäume im Vorgarten.
    Na also, dachte er, es geht doch weiter.
    Sie haben ein Trauma erlitten, hatte Dr.   Wegner gesagt. Was soll ich damit, hatte er gefragt. Sie sollen dafür die Ursache erforschen. Und dann sollen Sie es loswerden. Wo fange ich an, hatte er wissen wollen. Nehmen Sie Ihre junge Frau und machen Sie ein paar Tage Urlaub. Am besten an der See. Blasen Sie alles aus sich raus.
    Andrea war sofort begeistert gewesen, jede Ehe sollte mit einem Urlaub am Meer beginnen. Findest du nicht? Doch, ja. Aber gerade jetzt türmten sich die Fälle, die bearbeitet werden wollten, auf dem Schreibtisch. Dann waren sie doch gefahren. Wenn Sie innerlich zerklüftet und verschluchtet sind, hatte Dr.   Wegner auch noch gesagt, ist ein flaches Land wie Holland das Richtige. Strecken Sie sich dort aus, erholen Sie sich.
    Es war herrlich gewesen. Nur ganz tief drinnen war Velsmann das Gefühl nicht losgeworden, dass es zwischen ihm und den Delikten, die er als Inspektor der Fuldaer Polizei zu bearbeiten hatte, einen nicht erklärbaren Zusammenhang gab. Das ängstigte ihn. Ich bin kein Beteiligter am Unheil der Welt, Dr.   Wegner! Das Verhängnis ist allgegenwärtig, bester Herr Velsmann, dagegen können auch Sie als Ermittler nichts tun, Sie sind sogar ein Teil davon; Sie müssen nur zusehen, dass Sie dabei nicht hysterisch werden. Verstehen Sie? Denken Sie an Woyzeck, das Woyzeck-Syndrom, bester Velsmann, das Stück kennen Sie doch? Die geistige Krankheit, die man so beschreiben könnte, dass Sie alles auf sich beziehen, was geschieht. Alles, ist angeblich nur für Sie gemacht.
    Martin Velsmann hatte ihm recht gegeben. Aber in seinem Leben hatte schon einmal jemand gesagt, es käme auf ihn an und alles, was geschieht, sei für ihn getan. Konnte man das als Woyzeck-Syndrom bezeichnen? Würde er jetzt nur noch Erbsen zu sich nehmen, wie Büchners verschreckter Held? Würde er Angst bekommen, durch Pfützen ins Erdinnere einzubrechen?
    Andrea küsste ihn auf den Mund. Sie bemühte sich, ihn nicht besorgt anzuschauen. Und er hatte allen Grund, seine junge Frau nicht zu verängstigen. Seit Holland fühlte er sich auch schon besser. Wenn man die inneren Verhängnisse genau unter die Lupe nahm, konnte man sie Stück für Stück abtragen, zurück blieben leere, von der Sonne beschienene Landschaften. Und dann schließlich nichts mehr, wovor man Angst haben musste. Oder etwa

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