Die verzauberten Frauen
bezogen. Alles was geschieht, ist für dich gemacht! Und wie hatte das geendet! Nein, das musste sofort aufhören. Er verrannte sich da in etwas.
»Wie es weitergeht? Was meinst du?«
»Wir haben in letzter Zeit wenig Gemeinsamkeiten, das wirst du genauso sehen wie ich.«
»Manchmal gibt es solche Zeiten, das wird wieder anders.«
»Mein Gott, Martin! Wir sind frisch verheiratet! Sollte man da nicht erwarten, dass es uns schwer fällt, wenn einer etwas ohne den anderen macht? Stattdessen nutzen wir jede Gelegenheit, uns zu entfernen.«
»Du dramatisierst, so schlimm ist es nicht.«
»In meiner Frauenrunde fehlst du mir nicht. Ich denke nicht mal an dich. Aber wenn das vorbei ist, schmerzt mich deine Abwesenheit. Wir sollten etwas planen, Liebe nach Kalender, wenn es anders nicht funktioniert.«
»Wie wäre es, wenn wir am Sonntag zum Rhein fahren? Ein langer Spaziergang am Fluss oder durch die Weinberge nach Schloss Vollrads wird uns guttun.«
»Das ist das Minimalprogramm. Wie wäre es mit ein bisschen Sex!«
»Wieso, Männer sind doch Schweine und Vergewaltiger. Lernt man das nicht in deinen Zirkeln?«
»In meinen Zirkeln! Wie das klingt! Wie eine Verschwörung!«
»Und genau das ist es ja wohl auch. Ich kann auch hören und lesen.«
Sie schwiegen.
»Also«, sagte Andrea ganz ruhig, »was fangen wir an?«
»Wir quartieren uns aus«, schlug Velsmann vor. »Ich kenne ein nettes Hotel im Rheingau. Wir lassen uns verwöhnen. Keine Verpflichtungen. Nur die Seele baumeln lassen.«
»Und das andere?«
»Das kommt dann von allein.«
»Okay. Kümmerst du dich darum?«
»Mach’ ich. Freitag, Samstag oder Samstag, Sonntag?«
»Mir egal.«
»Andrea! Das wird schon!«
»Das – sehe ich auch so.«
Die Opfer konnten nie identifiziert werden. Die Täter tauchten unerkannt unter. Ein solcher Fall führt dazu, dass man an eine Verschwörung glaubt. Alles wird zugedeckt. Aber von wem? Wer sorgt dafür, dass ein solches Verbrechen wie eine peinliche Panne vertuscht wird, und man die Mörder schützt wie Kinder, die eine einmalige Ungezogenheit begangen haben?
Martin Velsmann kam nicht zur Ruhe.
Etwas an diesem historischen Verbrechen stimmte ganz und gar nicht. Selbst wenn man die politischen Wirren der Zeitumstände bedachte, schien mehr Energie dafür aufgebracht worden zu sein, die Morde zu begehen und danach alle Spuren zu verwischen, als überhaupt vorstellbar war. Wie hatte das alles vergessen werden können? Es war allmählich einfach aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden!
Dahinter stand ein Plan. Und noch etwas anderes, das er aber nicht benennen konnte.
Velsmann nahm sich vor, bis zum Wochenende Aufklärungsarbeit zu leisten. Der Gedanke erschreckte ihn, dass er Andrea den Ausflug an den Rhein vorgeschlagen hatte, um dem Tatort Loreley ein Stück näher zu sein. Welch ein absurder Gedanke! Nein, er durfte sein Privatleben nicht mit seinen Spleens belasten! Ab Freitag wollte er darüber nicht mehr nachdenken müssen, dann musste er den Fall in seinem Gehirn gelöscht haben. Sonst drohte ein Absturz mit Andrea. Aber bis zum Freitagmittag wollte er alles tun, um ein bisschen klarer zu sehen.
Wenn die Büroarbeit, für die er immerhin bezahlt wurde, das zuließ.
Die Poststelle brachte Briefe und Ankündigungen, Einladungen für Tagungen, Aufrufe von Institutionen und gesellschaftlichen Instanzen. Arbeit für Sesselfurzer. Velsmann hakte eins nach dem anderen ab. Zwischen den meist mechanischen Handreichungen fiel ihm plötzlich etwas ein.
Er rief Pfedder an.
»Ich muss nach Eltville fahren, ich habe am Wochenende meinen Terminkalender im Hotel liegen lassen. Ich brauche ihn dringend.«
»Lassen Sie sich den Kalender zuschicken, lieber Velsmann, wir brauchen Sie an Ihrem Schreibtisch.«
»Nein, ich muss fahren. Meine Arbeit ist für heute getan. Es ist ja ruhig.«
»Wann sind Sie wieder zurück?« Pfedders Stimme klang misstrauisch.
»Gegen acht.«
»Wie erreiche ich Sie?«
»Ich lasse mein Mobiltelefon im Auto auf der Ladestation.«
»Wenn es nicht anders geht …«
Erleichtert legte Velsmann auf. Er floh geradezu aus dem Amt und musste sich zügeln, um nicht zu schnell durch Fuldas Straßen stadtauswärts zu fahren. Auch die Ausfallstraßen Richtung Westen meisterte er noch mit staatsbürgerlicher Zurückhaltung. Erst auf der Autobahn nach Wiesbaden gab er Vollgas. Es kam ihm nicht in den Sinn, dass er kaum begründen konnte, was er tat, schon gar nicht mit beruflichen
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