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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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beschäftigen.
    Er ging ins Schlafzimmer und holte Bettwäsche. Dann legte er sich aufs Sofa.
    Wieder träumte er einen wirren Traum.
    Er erwachte erst gegen Morgen schweißgebadet. Im Radiowecker sang Marc Bolan den Cosmic Dancer .
    Velsmann hörte erschöpft zu, bis der Song nach viereinhalb Minuten mit sphärischen Gesängen und einem Trommelwirbel endete. Dann erhob er sich. Nicht wie ein Tänzer, sondern wie ein geschlagener Mann.

III
PROLOG
    Sie sahen doch, dass sie es zu einem Ende bringen mussten. Wer so viel gesät hat, will ernten.
    Die sechste Station ist erreicht, und die siebente wird alles beenden. In diesem Jahr entmachteten Banken und Konzerne die nationalen Regierungen. Die Pole schmolzen ab. Terroristen bereiteten sich auf die Übernahme der Macht vor. Die Staaten bunkerten sich ein. Sie konnten also mit Fug und Recht sagen, die Zeichen haben ihre Erfüllung gefunden.
    Gott verbot dem Evangelisten Johannes, die Stimmen aufzuschreiben, die aus dem Donner sprachen. Denn damals offenbarten sie alle Schrecken und Ängste, die Menschen jemals ausgestanden hatten. Der Mensch erträgt sie leichter, wenn sie im Lauf der Zeit eintreffen als wenn er sie im Voraus weiß. Dann würden die Menschen sich selbst in Scharen vernichten. Wenn es sie niederschlägt, ist es zu spät.
    Die Dinge müssen ja reifen wie Wein in Schläuchen. Sie hatten den Kampf geführt und den Verlust überwunden, als die drei sie verlassen hatten. Sie konnten es gerechter machen, als sie eine von ihnen mitnahmen. Und dann noch eine.
    Und wie die Schrift sagt, Gottes Wille ist, dass alles zu seiner Bestimmung kommt. Dafür war ihr Gründer gestorben, dessen Reliquie sie inbrünstig ehren, und mit ihnen die Elite. Wer die Ermahnung nicht zu ihrer Bestimmung kommen lassen will, wer sie wie ein Protokoll umschreibt, der wird verdorren. Und man wird ihn geschlachtet sehen wie ein Lamm bei den Ältesten.
    Auch wer der schützende Erzengel Michael sein wollte, muss als Luzifer seine Aufgaben erfüllen und seinen Weg gehen. Wo man mich hinstellt, werde ich bleiben.

JUNI 2011
    Wie immer in den Nächten wurden die Schatten lebendig. Die Deckenlichter flammten auf, kaltes Neonlicht ergoss sich über die ausgedehnten Hallen. Von zwei der vier Seiten her setzten sich die Gabelstapler in Bewegung. Auf den Paletten warteten die gestempelten Kisten, eine Fracht kostbarer als die andere. Irgendwer führte in der Schicht die Aufsicht und behielt den Überblick, gab die Anweisungen. Auf den Seiten der Computerausdrucke reihten sich die Eingangscodes, die Objektbeschreibungen, die Katalognummern.
    An diesem Wochenende waren alle im Einsatz, die Freizeit hatte man höheren Orts gestrichen. Warum es notwendig geworden war, den gesamten Bestand umzurüsten, wusste so recht niemand. Und jetzt fragte sowieso keiner mehr. Missmutig verrichteten sie ihren Dienst, der ihnen höchsten mit einer lobenden Erwähnung vergolten wurde. Vielleicht nicht einmal das. Auf die Neuordnung des Bundesarchivs legten Anzugträger wert, die im Hintergrund blieben. Niemand kannte ihre Namen. Existierten sie überhaupt? Sie traten nur mit maschinell erstellten Anweisungen in Erscheinung, die sie nicht einmal unterschrieben hatten.
    Wer außer Sennsler kannte noch alle hochbrisanten Einlagerungen? Der freie Mitarbeiter der Asservatenkammer hatte ein schlechtes Gewissen. Er musste die neuen Tagesbefehle den anderen gegenüber durchsetzen. Aber weil sie alle auf ihn hörten, selbst der Betriebsrat, und dafür gab er sich Mühe, funktionierte es ohne nennenswerte Reibung. Nur zwei Praktikanten, die eigentlich auf eine Schaumparty gehen wollten, hatten feindselige Mienen aufgesetzt. Sennsler besorgte für alle Cheeseburger und Cola, und mit der Zeit, als die Nacht anbrach, hatten sich alle in ihr Geschick gefügt.
    Es war an der Zeit!
    Sennsler schüttelte, auch wenn dies nicht notwendig war, seine gut frisierten, schneeweißen Locken, in seinem kräftigen, straffen Gesicht war keine Anstrengung zu erkennen, denn er war es gewohnt, Überstunden zu machen. Streng genommen gab es für ihn überhaupt keine Trennung von Dienstzeit und Feierabend mehr. Er war offiziell längst im Ruhestand, blieb seiner Behörde aber als einer, der sich mit allen Vorgängen immer noch mit am besten auskannte, beratend verbunden. Also kam er weiterhin fast täglich zur Arbeit. Jetzt überblickte er die Objekte, die Fundstücke, Artefakte und Dokumente und zeichnete sie ab. Eines nach dem anderen verschwand in

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