Die Visionen von Tarot
Marktanpreiser.“
Bruder Paul unterdrückte seine Reaktion darauf, weil er wußte, daß Therion ihn lediglich reizen wollte.
Die Frau am Brunnen lächelte großzügig, während sie den Krug wieder ins Wasser senkte. „Du hast weder Krug noch einen tiefen Brunnen – wo willst du denn dein lebendiges Wasser herbekommen? Hältst du dich für größer als Jakob, der uns diesen Brunnen geschenkt hat?“
Jesus, erfrischt durch den Trank und die Rast, erwiderte ihr Lächeln. „Jeder, der vom Wasser dieses Brunnen trinkt, wird wieder Durst bekommen, doch wer jemals von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, der wird nie wieder Durst leiden.“
Sie setzte den randvollen Krug ab und band das Seil los. „Gut. Ich nehme das Angebot an, Jude. Gib mir von diesem lebendigen Wasser.“
Jesus senkte die Hand bis an die Gürtellinie, wo sich durch das Gewand abzeichnete, was sich ihr dort entgegenstreckte. „Und dein Mann?“
Einen Moment lang riß sie die Augen auf, als sie sein Angebot begriff. „Ich habe keinen Mann.“
„Gut gesprochen“, erwiderte Jesus, nahm sie bei den Ellenbogen und zog sie an sich. „Du hast viele Männer gehabt, aber einen jeden nur für eine Nacht. Nun kannst du einen für einen Tag haben.“
Sie blickte sich um, um sicherzugehen, daß sich von der Stadt her niemand näherte. „Ich sehe, du bist ein Prophet.“ Sie bot ihm ihre Lippen zu einem Kuß.
„Frau, glaube mir, die Zeit wird kommen …“
„Das ist nicht alles …“
Bruder Paul konnte es nicht mehr aushalten. „Aufhören!“ rief er. „Das ist ungehörig!“
„Aber das Beste hast du noch nicht gesehen“, protestierte Therion mit gespielter Unschuld. „Warte, bis du die Göttliche Erektion siehst. Er haut ihr wirklich den heiligen Geist rein, bis sie überfließt …“
„Jesus hat niemals mit Frauen Unzucht getrieben! Er …“
Therion runzelte die Stirn. „Du hältst also die unzensierten Stellen der Bibel nicht aus? Wo bleibt deine Offenheit?“
Bruder Paul brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. „Es gibt einen Unterschied zwischen Offenheit gegenüber Neuem und gotteslästerlicher Pornographie. Ich glaube einfach nicht, daß Jesus so etwas getan hätte. Das ‚Lebendige Wasser’, von dem er spricht, ist der Heilige Geist. Wenn ihr das in einen lästerlichen Zusammenhang zerrt …“
„Du hältst also die Möglichkeit nicht für gegeben, daß Jesus ein normales Interesse am anderen Geschlecht gehabt hat?“ fragte Therion gleichmütig. „Daß er vielleicht versucht war, sich mit einer gutaussehenden Unterklassenfrau einzulassen, die ihm eine Freundlichkeit erwiesen hat? Natürlich keiner jüdischen Frau, das wäre zu schlimm gewesen. Aber die Samariter gehörten nicht zur gleichen Klasse. Prophet sein ist harte Arbeit; manchmal mußte er einfach abschalten.“
„Nein!“ rief Bruder Paul und verschloß seine Gedanken gegenüber der künstlichen Vernünftigkeit von Therions Argumenten. Er wußte, wohin der Weg dieses Mannes führen mußte. „Es gibt in der ganzen Bibel keinen Hinweis, daß Jesus jemals sexuell mit einer Frau verkehrt hat!“
Therion lächelte böse. „Das ist eine sehr interessante Qualifikation. Seeehr interessant! Willst du damit sagen, er hatte Umgang mit Männern?“
„Nein! Ich … „Aber Bruder Paul wußte, daß er in eine weitere Falle getappt war. Nicht, daß er keine Ahnung gehabt hätte von den angeborenen Neigungen dieses Teufelsanbeters.
Therion schloß unerbittlich den Mund. „Wie du schon sagtest, Jesus hat niemals eine Frau angefaßt. Wenn ihm die Samariterfrau am Brunnen ein Angebot gemacht hätte, hätte er sie beiseite geworfen und sich nicht weiter darum gekümmert, unter den Samaritern
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