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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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klar, dass nun kein Grund mehr bestand, länger zu bleiben. Während Stefan knapp von seinen Holzrädern und dem geplanten Theaterstück berichtete, stand der Polizist auf und stahl sich Schritt für Schritt Richtung Ausgang. Zum Abschied reichte er nochmal seine Hand. Er war offenkundig froh, dieses Gespräch fürs Erste beendet zu haben, und verließ aufrechten Ganges den Vorgarten Richtung Polizeistation.

16
    Damals, tja.
    Norbert Paulessen kehrte in den kleinen Flachdachbau zurück, dem schmucklosen Kasten, dessen einzige Dekoration aus Warnplakaten gegen Drogen und Fahrradfahren ohne Helm bestand. Er war nur selten hier auf der Dienststelle. Es gefiel ihm viel besser, mit dem Dienstrad im Ort unterwegs zu sein. Ein Polizist zum Anfassen hatte man ihn mal genannt, und Norbert Paulessen ließ sich gern gefallen, so bezeichnet zu werden.
    Nun wühlte er das erste Mal überhaupt im Bad Meinberger Archivschrank. Diese Grabschändungssache, wenn er ihr auf den Grund gehen wollte, dann musste er in der Vergangenheit suchen. Was war damals vor zehn Jahren wirklich mit Ulrich Brampeter geschehen? Es hieß, er sei mit fünfundzwanzig Jahren bei einem Autounfall am Ortsausgang von Detmold ums Leben gekommen. Auf dem Parkplatz einer Diskothek vom eigenen Wagen überrollt. Sturzbetrunken soll er gewesen sein, und daher habe seine minderjährige Freundin den Wagen aus der Parklücke gelenkt, obwohl sie keinen Führerschein besaß. Und nachdem der allseits beliebte junge Bad Meinberger im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlegen war, soll das junge Mädchen fluchtartig die Stadt verlassen haben, schwanger übrigens. Jeder gab ihr die Schuld am Tod des Schützenkönigs, des Heimatliebenden, des jungen Mannes von nebenan. Ihr Verschwinden erhitzte die Gemüter umso mehr.
    In Bad Meinberg wurden Geschichten gern und oft auch recht unterhaltsam umgeschrieben und aufpoliert. Zu Beginn seiner Amtszeit hier in seinem Heimatort hatte es einen skurrilen Fall gegeben: Der Schwanenmann im Kurteich hattetot im Wasser gelegen, betrauert von der langjährigen gefiederten Lebensgefährtin. Im Nu war eine Geschichte über die Ladentische gereicht worden. Sie wurde in den Restaurants als Wahrheit serviert, floss an den Tankstellen literweise aus den Mündern und ging mit Hinz und Kunz im Kurpark spazieren. Diese Geschichte, dass ein kleiner Türkenjunge dem Schwan den Hals umgedreht hätte. Allen Widrigkeiten zum Trotz, denn einem solchen Tier an die Gurgel zu gehen war lebensgefährlich, so viel wusste Paulessen noch aus seiner Zeit als Autobahnpolizist, als er mal eines der schönen Tiere von der Überholspur hatte evakuieren müssen. Ein neunjähriger Junge sollte es getan haben? Paulessen hatte stets über diese Behauptung gelacht. Doch obwohl er mit lückenloser Beweiskette belegen konnte, dass der Schwan auf den Elektrowagen der Gemeindegärtner losgegangen war und sich dabei schwer verletzt hatte, was letztlich auch zum tragischen Tod des Federviehs geführt hatte – in Bad Meinberg erzählte man sich auch jetzt, nach zwei Jahren, immer noch hartnäckig die Geschichte mit dem kleinen, ungezogenen Jungen, dem Schwankiller.
    Diese Tratscherei war anstrengend und liebenswert zugleich. Wahrscheinlich war es in allen Dörfern der Welt dasselbe mit diesen Gerüchten. Paulessen kannte es schon zeit seines Lebens; trotzdem war er vor zwei Jahren gern und mit Stolz an den Ort seiner Kindheit zurückgekehrt.
    Norbert Paulessen war das Nesthäkchen seiner Familie. Alle seine Geschwister waren in die Fußstapfen der Eltern getreten und arbeiteten bei dem Holzwerkstoffbetrieb
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am Band. Somit stand das gesamte Familieneinkommen auf dem Spiel, seit der Konzern immer rotere Zahlen schrieb. Norbert Paulessen war davon nicht betroffen, Gott sei Dank. Eine Polizeidienststelle in Bad Meinberg würde es immer geben, und somit brauchte er sich um die Versorgung seiner Frau und der Zwillinge und um den Kredit für das Eigenheim keine großenSorgen zu machen. Er wusste, er war einer der wenigen hier in der Gegend, denen es so ging. Vielleicht noch Stefan Brampeter, den er eben in seiner Werkstatt besucht hatte. Und die Truppe vom Yoga-Zentrum, die es auch irgendwie richtig zu machen schien und demnächst expandieren wollte. Doch den meisten hier ging es schlecht, und die Stimmung im Ort war seit langem schon auf Talfahrt.
    Endlich hatte er im Archiv ziemlich weit hinten den Ordner des betreffenden Jahres gefunden. Dieser Unfall war im Herbst

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