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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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sind die absoluten Meister im Verbergen ihrer Gefühle.
    »Utajima«, fuhr Passan fort. »Sagt dir der Name etwas?«
    »Nie gehört. Was soll das sein?«
    »Genau weiß ich es auch nicht. Ein Ort oder eine Stätte in der Nähe von Nagasaki.«
    »Das müsste sich herausfinden lassen. Warum?«
    »Naoko und Ayumi haben sich dort verabredet.«
    Shigeru nickte.
    »Wusstest du, dass deine Schwester unter dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom leidet? Sie hat keinen Uterus.«
    Shigeru rutschte auf seinem Barhocker herum. Die Tische standen so eng, dass jeder der Unterhaltung seiner Nachbarn lauschen konnte, doch das störte die beiden keineswegs. Sie genossen doppelte Sicherheit, denn abgesehen davon, dass Japaner ohnehin sehr diskret sind, sprachen sie Französisch miteinander.
    »Wusstest du es? Ja oder nein.«
    »Ich hatte davon gehört.«
    Bei dieser Antwort riss Passan der Geduldsfaden.
    »Deine Schwester kann keine Kinder bekommen, und du hast nur davon gehört?«
    »Du weißt doch, dass wir Japaner sehr reserviert sind …«
    »Als sie Shinji bekommen hat – hast du dich da nicht gewundert?«
    »Ich war damals nicht in Tokio.«
    Ständig diese ausweichenden Antworten!
    »Aber als du es erfuhrst, was hast du da gedacht?«
    »Ich war doch damals im Krankenhaus. In einer Entziehungsklinik. Ich hatte gerade eine Überdosis überstanden und …«
    Passan lehnte sich vor. Es war wirklich an der Zeit, zu der Rolle zurückzukehren, die er am besten beherrschte.
    »Vergiss bitte nicht, wer ich bin, Shigeru«, fauchte er und packte seinen Schwager am Kragen, was in Japan ungefähr so drastisch wirken mochte wie ein Faustschlag auf die Nase in Paris. »Ich bin der Ehemann deiner Schwester und ein hoher Polizeibeamter. Hör also endlich auf, mir irgendwelchen Mist aufzutischen.«
    Shigerus Adamsapfel zuckte hektisch. Er rollte die Augen, als suche er nach einem Notausgang. Die Gäste der Bar wurden unruhig. Passan ließ seinen Schwager los.
    »Ich war der Meinung, dass es irgendeine neuartige Technik oder eine spezielle Behandlung gäbe«, erklärte Shigeru und strich sein Lacoste-Polohemd glatt. »Ich kenne mich in solchen Dingen nicht aus, und außerdem ging es mich nichts an.«
    Mit einer Handbewegung bestellte er ein weiteres Bier und leerte es in einem Zug.
    »Unsere Mutter ist die Einzige, die in alles eingeweiht ist«, fuhr er dann fort. »Aber die brauchst du nicht zu fragen, denn darüber redet sie bestimmt nicht.«
    Als ob das nicht ohnehin klar gewesen wäre.
    Passan nahm einen Schluck von seinem Kirin. Als Appetithäppchen hatte man ihnen gedünsteten Thunfisch, Ingwer und Rettichscheibchen serviert. Obwohl Passan inzwischen wirklich Hunger hatte, drehte sich ihm bei diesem Anblick fast der Magen um.
    Wenn er Shigeru als Verbündeten wollte, musste er seine Karten offen auf den Tisch legen.
    »Naoko hat sich einer Methode bedient, die in Frankreich und Japan verboten, in den Vereinigten Staaten aber erlaubt ist. Leihmutterschaft. Es ist eine ziemlich gängige Praxis, über die man alles im Internet finden kann.«
    Shigeru machte große Augen.
    »Ich glaube, dass Ayumi die Leihmutter war«, schloss Passan.
    Er ließ seinem Schwager Zeit, die Nachricht zu verdauen. In der Kneipe herrschten Lichtverhältnisse wie in einem Operationssaal. Man konnte jede Einzelheit deutlich erkennen. Die Schweißtropfen, die auf Shigerus Stirn glitzerten. Die Goldplättchen auf dem Grund der Gläser. Das seladongrüne Porzellan in den Regalen. Alles wurde gnadenlos hell ausgeleuchtet.
    »Als Hiroki geboren wurde, warst du aber in Tokio, oder?«, begann Passan von Neuem.
    Shigeru bestätigte mit einem kurzen, fast widerwilligen Kopfnicken.
    »Hast du deine Schwester nicht im Krankenhaus besucht?«
    »Meine Mutter meinte, es wäre nicht nötig.«
    »Wen wundert’s? Schließlich lag nicht Naoko in diesem Bett, sondern Ayumi.«
    Plötzlich lachte Shigeru auf.
    »Was du mir da erzählst, ist unmöglich. In Japan tut man solche Dinge nicht.«
    Passan packte ihn am Arm.
    »Shinji und Hiroki sind in Ayumis Bauch gewachsen. Ich weiß weder wie noch warum sich ihre Beziehung zu Naoko plötzlich verschlechtert hat, aber eines ist ganz sicher: Ayumi will Naoko töten und die Kinder zurückholen.«
    Shigeru befreite seinen Arm aus der Umklammerung, wischte sich die Augen unter den Brillengläsern und bestellte mit einer eindeutigen Geste Sake. Auf dem Tresen erschienen winzige Porzellanschälchen und ein passender Flakon, der aussah, als

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