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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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ist wahr.«
    »Nein, ist es nicht.«
    Es schien, als versuchte Felicity, Will von all seinen Missetaten freizusprechen, als wäre er nur kurz vom rechten Pfad abgewichen, als wäre das, was er getan hatte, nichts weiter als ein beschwipster Kuss auf einer launigen Betriebsfeier.
    Tess musste an Wills kreideweißes Gesicht an jenem Abend denken. Er war nicht oberflächlich oder dumm. Seine Gefühle für Felicity waren echt gewesen, echt genug, um bereit zu sein, sein ganzes Leben zu demontieren.
    Es geht ihm um Liam, dachte sie. In dem Moment, da sie mit Liam das Haus verlassen hatte, war Will klar geworden, was er dabei war aufzugeben. Wäre kein Kind im Spiel, würde diese Unterhaltung jetzt nicht stattfinden. Er liebte Tess, das vermutlich ja, doch im Augenblick war er in Felicity verliebt , und jeder Mensch weiß, welches Gefühl dann stärker ist. Es war ein Kampf mit ungleichen Mitteln. Kein fairer Kampf. Deshalb gingen Ehen in die Brüche. Wenn man die eigene Ehe wertschätzt, dann zieht man einen Schutzwall um sich selbst, seine Gefühle, seine Gedanken. Dann lässt man die Augen nicht schweifen. Dann bleibt man nicht auf einen zweiten Drink. Dann weiß man, dass der Flirt Grenzen hat. Man spielt einfach nicht mit. Irgendwann musste Will beschlossen haben, Felicity mit den Augen eines Single-Mannes anzusehen. Und genau das war der Moment gewesen, in dem er Tess verraten hatte.
    »Ich bitte dich nicht um Verzeihung«, sagte Felicity.
    Doch, das tust du, dachte Tess. Aber die werde ich dir nicht gewähren.
    »Weil ich es hätte tun können«, fügte Felicity hinzu. »Ich will, dass du das weißt. Aus irgendeinem Grund ist es mir wirklich wichtig, dass du weißt, dass es mir ernst war. Ich habe mich schrecklich gefühlt, doch nicht so schrecklich, dass ich es nicht hätte tun können. Ich hätte damit leben können.«
    Tess starrte sie zutiefst erschüttert an.
    »Ich will nur einfach absolut ehrlich zu dir sein«, sagte Felicity.
    »Danke, angekommen.«
    Felicity schlug die Augen nieder. »Egal. Ich dachte, es wäre das Beste für mich, wenn ich das Land für eine Weile verlasse, um so weit wie möglich fort zu sein. So könnt ihr, du und Will, eine Lösung finden. Er wollte zuerst mit dir reden, doch ich dachte, es wäre besser, wenn ich …«
    »Wo ist er jetzt?« Tess schnitt ihr das Wort ab, und in ihrer Stimme schwang ein scharfer Ton mit. Dass Felicity wusste, wo Will war und was er vorhatte, machte sie fuchsteufelswild. »Ist er in Sydney? Seid ihr zusammen hergeflogen?«
    »Na ja, schon …«
    »Muss für euch beide ja echt traumatisch gewesen sein. Eure letzten gemeinsamen Stunden. Habt ihr im Flugzeug auch schön Händchen gehalten, ja?«
    Felicitys Augen flackerten.
    »Also habt ihr«, sagte Tess. Sie konnte es sich sehr gut vorstellen. Qualen . Zwei Liebende, deren Liebe unter einem schlechten Stern stand, die sich aneinanderklammerten, sich fragten, ob sie laufen sollten, immer weiter, weit weg, bis nach Paris – oder ob sie den rechten Pfad beschreiten sollten, den langweiligen Pfad. Und der hieß Tess!
    »Ich will ihn nicht, Felicity«, sagte sie. Die Rolle der langweiligen, gehörnten Ehefrau könnte sie nicht ertragen. Sie wollte, dass Felicity wusste, dass sie, Tess Curtis, alles andere als langweilig war. »Du kannst ihn haben. Behalte ihn! Ich habe inzwischen mit Connor Whitby geschlafen.«
    Felicity klappte die Kinnlade herunter. »Im Ernst?«
    »Im Ernst.«
    Felicity atmete hörbar aus. »Nun, Tess, das ist … Ich … ich weiß nicht ….« Ihr Blick schweifte ziellos durch das Zimmer, sie suchte nach Worten und starrte sie dann an. »Vor drei Tagen noch hast du erzählt, du würdest nicht zulassen, dass Liam mit geschiedenen Eltern aufwächst. Du hast gesagt, du willst deinen Ehemann zurück . Du hast mir das Gefühl gegeben, dass ich die allerletzte Schlampe bin. Und nun erzählst du mir, dass du dich kopfüber in eine Affäre mit Connor Whitby gestürzt hast, während Will und ich nicht einmal … Oh, mein Gott !« Sie schlug mit der Faust gegen die Bettkante, ihr Gesicht war puterrot, und ihre Augen blitzten vor Zorn.
    Die Ungerechtigkeit dieser Worte (oder vielleicht auch die Gerechtigkeit) raubte Tess den Atem.
    »Spiele jetzt nicht die Heilige!« Sie stieß Felicity in die magere Taille, so fest sie konnte. Kindisch. Wie ein kleines Kind. Doch es fühlte sich auf seltsame Weise gut an. Und sie stieß noch einmal fester zu. »Du bist die allerletzte Schlampe. Glaubst du denn

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