Die Washington-Akte
wird.«
»Was hattest du vor? Wolltest du sie erpressen?«
»Der Gedanke war mir schon gekommen. Zum Glück sind aber vielleicht inzwischen bessere Lösungen des Problems aufgetaucht. Ihr Geheimnis ist also sicher.«
»Wie beruhigend.«
»Jetzt nimm doch die Pistole weg und lass uns unsere neue Beziehung auskosten. Eine Beziehung, die auf gegenseitiges Vertrauen und gegenseitige Achtung gründet.«
Er mochte ihre Augen, die so blau waren, dass sie manchmal violett wirkten. Ihr kantiges Gesicht ließ kaum ihr Alter erkennen. Sie besaß die geschmeidige Anmut einer Tänzerin – weiche Rundungen, eine schmale Taille und volle Brüste. Und sie trug immer ein bestimmtes Parfüm mit einer Zitrusnote, das jedes Mal lange verweilte, wenn sie sich getrennt hatten.
»Ich glaube nicht, dass zwischen uns irgendeine Beziehung möglich ist«, sagte sie schließlich.
Und sie drückte den Abzug durch.
Knox ließ das Boot am Strand liegen und eilte zu dem Wagen zurück, den er bei einer kleinen Ladenzeile geparkt hatte. Er war froh, von Paw Island weg zu sein.
Er wollte nicht dort sterben.
Alles war menschenleer. Er musste Kanada verlassen, und zwar rasch. Das gestohlene Boot würde morgen entdeckt werden von wem auch immer. Seine beiden Mitarbeiter würde man ebenfalls im Fort Dominion finden. Der eine war zweifellos tot, der andere wahrscheinlich. Keiner von ihnen trug Ausweispapiere bei sich, aber sie lebten beide in der Nähe von Nags Head an der Atlantikküste. Seit Langem ermutigte er die Mitglieder der Crew, von Bath in die Nachbargemeinden zu ziehen, je weiter weg, desto besser. Hauptsache, sie waren nah genug, um innerhalb von zwei Stunden vor Ort zu sein. Viele von ihnen waren wie die beiden alleinstehend und hatten wenige Bindungen. Wenn die Leichen erst identifiziert waren und man festgestellt hatte, dass sie auf Hales Anwesen arbeiteten, würde die Polizei kommen. Es würde Nachforschungen geben. Aber genau deswegen hatte das Commonwealth ja eine ganze Schar von Anwälten engagiert. Das sollte also kein Problem darstellen.
Andrea Carbonell andererseits.
Die war ein Problem.
Er hatte es satt, Angst zu haben. Er hatte es satt, immer misstrauisch sein zu müssen und sich Sorgen zu machen. Ein guter Quartermeister hätte sich niemals in eine solche Lage manövriert.
Und doch war ihm genau das passiert.
Vor einem Jahr noch wäre er vielleicht im Fort Dominion geblieben und hätte den Kampf mit Jonathan Wyatt ausgetragen. Aber inzwischen hatte er einen anderen Weg gewählt und war Pflicht oder Erbe gegenüber gleichgültig geworden. Er wollte einfach nur da raus und weder von der Regierung noch vom Commonwealth getötet werden.
Er war ein Überlebenskünstler.
Und Jonathan Wyatt war nicht sein Feind. Ebenso wenig wie Quentin Hale und die anderen drei Kapitäne.
Sie wussten nichts.
Nur Andrea Carbonell wusste alles.
67
Bath, North Carolina
Hale hörte den Abzug klicken, aber kein Schuss fiel.
Kaiser lächelte. »Beim nächsten Mal ist sie geladen.«
Er hatte keinen Zweifel an ihrer Ankündigung.
»Hast du eine Ahnung, in welche Lage du mich gebracht hast?«, fuhr sie ihn an. »Pauline Daniels wird wahrscheinlich nie wieder mit mir reden.«
»Weiß die Regierung, dass ich deine Gespräche abgehört habe?«
»Man hat deine hübsche kleine Abhörvorrichtung bei mir im Garten gefunden.«
Panik überkam ihn beim Gedanken an die beiden Männer, die er mit dem Zurückholen der Geräte beauftragt hatte. Wurden sie etwa von Agenten erwartet?
»Shirley, du musst mir zuhören. Hier steht mehr auf dem Spiel als nur dein Stolz. Die US-Regierung hat sich mit ihrer vollen Autorität auf mich und meine Mitkapitäne gestürzt. Ich brauche Verbündete und nicht noch mehr Feinde. Ich hätte mich schon längst von meiner Frau scheiden lassen sollen. Dich immer hier zu haben wäre sehr schön.« Er stockte. »Für uns beide, hoffe ich.«
Er musste Knox kontaktieren und die Situation in Virginia in den Griff bekommen. Das war inzwischen sogar noch entscheidender als das, was in Nova Scotia geschah.
»Glaubst du ehrlich, ich würde dadurch meine Meinung ändern?«, fragte sie. »Wegen eines Heiratsversprechens? Ich brauche keinen Mann, Quentin.«
»Was brauchst du denn?«
»Wie wäre es mit der Antwort auf eine Frage. Hältst du hier eine Frau namens Stephanie Nelle gefangen?«
Er erwog zu lügen, entschied sich aber erneut dagegen. »Sie gehört zu unseren Gegnern. Sie wurde hergeschickt, um uns zu vernichten. Ihre
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