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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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etwa einhundertachtzig Grad gedreht hat.
    Herb blickt über die gewellte Fläche, die sich in der Dämmerung verliert. Über die Ebene tanzen die Spindeln aus Licht und Staub. Wie Schemen gleiten sie durcheinander, ordnen sich zu Gruppen und trennen sich wieder. Es ist ein faszinierendes Spiel geheimnisvoller Kräfte.
    Sind das tatsächlich physikalische Kräfte, oder ist das vielmehr…? Ein Gedanke beißt sich in ihm fest, aber noch ehe er ihn zu Ende gedacht hat, hört er Ruuths Flüstern.
    »Herb«, sagt sie. Und noch einmal: »Herb!« Er sieht zu ihr hinüber. Aus großen Augen blickt sie ihn an. »Die Spindeln leben!«
    Es ist widersinnig, unmöglich! Und doch weiß Herb, daß sie recht hat. Seit er die wehenden Gassäulen zum erstenmal sah, spukt der gleiche Gedanke in seinem Unterbewußtsein. Die Spindeln leben! Lebendes Gas auf einem Stern, dessen Gravitation ein Vielfaches der Erdanziehung beträgt. Er erinnert sich an Matouls Worte, als er das hypothetische Leben des Unheimlichen beschrieb: »Flach wird es sein, das Leben des Unheimlichen, flach wie ein Eierkuchen. Nur feste und homogene Massen können unter der Einwirkung dieser extremen Gravitation existieren!« So etwa hatte Matoul das Leben beschrieben, wie er es sich vorstellte.
    Und nun soll das genaue Gegenteil der Fall sein? Kann es überhaupt belebtes Gas geben? Widerspricht das nicht allen Gesetzen von der Entstehung des Lebens?
    Von diesem Augenblick an sieht Herb die tanzenden Spindeln mit anderen Augen. Ruuths Worte lassen ihn konzentrierter und gezielter beobachten. Und er fühlt, daß auch Matoul und Luisa das Treiben in der Nähe des Titanen unter anderen Aspekten verfolgen. Aber noch gelingt es ihm nicht, einen Sinn in den tänzerischen Bewegungen der drehenden Gassäulen zu finden.
    Und auch Luisa scheint das hektische Durcheinander nicht begreifen zu können. »Was tun sie nur?« fragt sie leise. »Das alles scheint mir so sinnlos.«
    »Sie leben!« flüstert Ruuth, und Herb weiß nicht zu sagen, ob sie ihre Worte von vorhin nur wiederholt oder ob die beiden Worte eine Antwort auf Luisas Frage sind. »Sie leben!« sagt sie noch einmal.
    Ein Ausruf Matouls zwingt ihn, sich wieder auf das Geschehen um den Titanen zu konzentrieren. Etwas hat sich verändert dort unten. Der Tanz der Spindeln ist langsamer geworden. Auch scheinen es jetzt mehr zu sein als noch vor wenigen Minuten. Die glatte, gläserne Ebene wimmelt von ihnen.
    Herb zweifelt nicht mehr daran, daß er das Leben des Unheimlichen beobachtet. Ein ungewöhnliches Leben, von dessen Existenz sich die Menschheit bisher nichts hat träumen lassen. Deshalb würden wohl auch die meisten Wissenschaftler der bloßen Existenzmöglichkeit solchen Lebens widersprechen, gelänge es nicht, ihnen schlüssige Beweise vorzulegen. Schemenhaft kommt Herb der Gedanke, daß es jetzt noch wichtiger ist zurückzukehren.
    Auf der Ebene tut sich etwas. Die Spindeln beginnen sich auf einer Fläche von etwa dreißig Metern mal dreißig Metern zu konzentrieren. Immer enger rücken sie zusammen, und immer mehr werden es. Nur einige wenige halten sich abseits, und es sieht aus, als beobachteten und koordinierten sie die Bewegungen der anderen aus der Entfernung. Ihren hektischen Tanz haben sie unterbrochen.
    Langsam nähert sich die Gruppe, immer noch eskortiert von einzelnen Gassäulen, dem Titanen.
    Herb ist wie gebannt, als sich der Kreis der Wesen unmittelbar vor dem Landefahrzeug öffnet und den Blick auf eine schnell rotierende Plattform freigibt. Er hat Schwierigkeiten, seine Gedanken zu ordnen, denn er muß gedankliche Begriffe verarbeiten, die er bisher nicht kannte. So sieht er erst beim zweiten oder dritten Blick, daß die Plattform nicht rotiert, ja, daß es sich wahrscheinlich nicht einmal um eine Plattform handelt. Eigentlich ist es ein flacher, kreisrunder Wirbel, dessen Oberfläche in ständiger Bewegung ist. Seine Konsistenz ist beim besten Willen nicht feststellbar, aber sie ist auf keinen Fall als fest zu bezeichnen.
    Es steht fest, daß sich der Wirbel, von den Spindeln offensichtlich gehalten oder geführt, immer mehr dem Titanen nähert und dabei flacher und flacher wird, ohne sich jedoch wesentlich zu verbreitern. Je näher das eigenartige Gebilde kommt, um so mehr scheint es an Festigkeit zu verlieren, und schließlich wird Herb klar, daß auch dieser Wirbel, oder was immer es sein mag, aus nichts anderem bestehen kann als aus Gas. Aber es müssen völlig unterschiedliche Gase an der

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