Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber
Griffins neuer Schütze, ein Mann namens Ismael, nach vorn.
»Ja«, erwiderte Griffin und dachte: Sie können einem fast Leid tun. Aber das sagte er nicht, weil er fürchtete, Ismael habe womöglich kein Verständnis für Mitgefühl. Er konnte es ja nicht einmal selbst so recht nachvollziehen. Die Klabauter waren ihre Gegner, ihre Todfeinde, und dort unten waren bereits dutzende Menschen ihren Klauen zum Opfer gefallen. Und dennoch blieb die Tatsache, dass die Klabauter nicht aus freien Stücken handelten. Der wahre Feind war der Mahlstrom. Und natürlich jenes Wesen, das er ausgesandt hatte, für ihn die Schlacht um Aelenium zu schlagen; eine Kreatur, für die sie noch immer keinen Namen hatten und die alle nur, in Ermangelung eines besseren Begriffs, den Herrn der Klabauter nannten.
Dabei waren sie ziemlich sicher, dass dieses Wesen selbst gar kein Klabauter war. Der Fischregen ließ auf eine Monstrosität wie den Acherus schließen, der Munks Eltern getötet hatte.
Gesehen aber hatte noch niemand den Klabauterherrn, nicht einmal Griffin und Jolly, die ihm so nahe gekommen waren wie kein anderer.
»Verdammte Fische!«, fluchte Ismael, während er eine der Feuerkugeln an einer langen Kette über seinen Kopf wirbelte, um sie in die Tiefe zu schleudern, dorthin, wo der Wall zu brechen drohte. »Zieh den Kopf ein, Junge!«
Griffin spürte das Eisengefäß mit dem lodernden Öl über sich kreisen, und er hatte davor beinahe mehr Angst als vor den Lanzen der Klabauter, die nur noch vereinzelt in die Höhe jagten. Ein Wunder, dass die Rochen trotz der nahen Flammen und der Hitze gehorchten. Das Kettennetz, in dem die Feuerkugeln lagen, baumelte etwa zwei Meter unter dem Tier und war am Sattel befestigt. D’Artois hatte gehofft, diese Waffe nicht zum Einsatz bringen zu müssen, deshalb hatten die Rochenreiter nur wenige Übungsflüge damit absolviert; Griffin selbst gerade mal einen einzigen.
Ismael, ein hellhaariger, hellhäutiger Hüne, besaß Oberarme wie Baumstämme, und die waren auch nötig, um die Feuerkugeln an ihren Ketten aus dem Netz heraufzuziehen. Er behauptete, das Schwungholen über ihren Köpfen sei nötig, damit die Wirkung der Geschosse größer sei. Griffin war dessen nicht so sicher; ebenso gut, dachte er, hätten sie die Kugeln einfach über den Klabautern abwerfen können. Er hatte das ungute Gefühl, dass Ismael Spaß an dieser Sache hatte und den Nervenkitzel genoss. Das mochte angehen, solange er dabei das Leben von Griffin und dem Rochen nicht aufs Spiel setzte. Allerdings hatte er bislang bei seinen Kugelabwürfen nicht einen Tropfen des brennenden Öls über dem Tier und seinem Reiter verloren. Ismael war ungemein stark und geschickt, und sein Hass auf die Klabauter saß tief. Nein, dachte Griffin, es war sicherlich besser, kein Mitgefühl mit den Klabautern zu zeigen. Es sei denn, er wollte das Risiko eingehen, dass Ismael ihn gleich hinter einer der Kugeln herwarf.
Sein Blick folgte dem feurigen Geschoss, als der Schütze es losließ. Zielsicher und mit klirrendem Kettenschweif sauste es in die Tiefe und zog dabei eine glühende Spur durch die Nacht. Bevor die Kugel in die Klabauterscharen krachte, verlor Griffin sie für einen Moment aus den Augen. Dann aber fauchte eine flammende Blüte zwischen den kreischenden Kreaturen empor, und er wusste, dass Ismael einmal mehr ins Ziel getroffen hatte. Triumph aber verspürte er keinen, nur tiefes Grauen.
»Das war die letzte«, brüllte Ismael, um den Lärm zu übertönen. »Lass uns landen und neue Kugeln aufnehmen.«
Griffin schüttelte den Kopf. »Keine Kugeln mehr! Schau mal dort runter. Die meisten Plätze, auf denen wir Nachschub aufnehmen könnten, sind überfüllt. Ich werde nicht tatenlos Schleifen fliegen und Zeit verschwenden, während wir genauso gut auf andere Weise ein paar von den Biestern erledigen können.«
Er spürte Ismaels Blick in seinem Rücken und erwartete heftigen Widerspruch. Aber nach einem Moment hörte Griffin, wie hinter ihm Büchsen geladen und Hähne gespannt wurden. Bald begann Ismael, aus allen Rohren in die Tiefe zu feuern.
Sie flogen zwei weitere Runden um die umkämpfte Stadt, rasten im Tiefflug über die Seesternzacken, auf denen es mittlerweile von Klabautern wimmelte, und fegten durch die Rauchfahnen der brennenden Barrikaden. Griffin entdeckte weder Walker und Buenaventure noch Soledad.
In diesem Chaos waren Menschen und Klabauter gleichermaßen zu vagen, huschenden Gestalten geworden, von hier
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