Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber
oben aus so klein wie Spielzeug. Griffin fühlte sich seltsam entrückt von dem allen, obwohl er doch eigentlich mittendrin steckte.
Während sie immer wieder aus Feldern heißer Luft in nächtliche Kühle wechselten, dachte er erneut an Jolly. Wie erging es ihr unten am Meeresgrund? Waren sie und Munk noch unterwegs, oder hatten sie den Schorfenschrund bereits erreicht?
»Junge! Verteufelt noch mal, sieh dir das an!«
Griffin war zum ersten Mal dankbar, Ismaels raue Stimme zu hören. Sie riss ihn aus den Albtraumbildern, die wie von selbst vor seinem inneren Auge entstanden.
Dabei war die Wirklichkeit keinen Deut angenehmer. »Das Feuer dort drüben«, rief Ismael und zeigte auf eine Seesternzacke, »das sind doch die Gebäude der Seepferde, oder?«
Griffins Kehle fühlte sich an, als hätte er Ismaels heißes Öl geschluckt. Für einen Augenblick hätte er beinahe die Kontrolle über den Rochen verloren. Matador und die anderen Hippocampen! Sie würden alle dort unten verbrennen!
Ein Blick in die Richtung, in die Ismael zeigte, und er atmete auf: Zwar brannten Feuer auf der Zacke, aber sie hatten noch nicht auf den lang gestreckten Komplex der Stallungen übergegriffen. Allerdings - und das war beinahe genauso schlimm - befand sich die gesamte Zacke in der Gewalt der Klabauter.
Dann aber entdeckte Griffin noch etwas: Die Stallknechte hatten vor ihrem Rückzug ins Stadtinnere die Tore geöffnet. Unterhalb des Rauchs ergoss sich ein Strom aus Seepferden ins Freie, schoss panisch zwischen den Klabautern hindurch und verschwand in der Nebelwand. Alles in ihm verkrampfte sich, ehe ihm bewusst wurde, dass die Klabauter Besseres zu tun hatten, als sich an den harmlosen Seepferden zu vergreifen. Tatsächlich sah er nicht ein Hippocampus, das in die Tiefe gerissen wurde. Offenbar ließen die Diener des Mahlstroms die Herde passieren. Griffin hielt Ausschau nach Matador, konnte ihn aber in der Flut der Tiere und jenseits der Rauchschwaden nicht erkennen. Im Stillen wünschte er seinem Seepferd alles Gute und verkniff sich die Träne, die in seinem Augenwinkel brannte.
Ismael entlud seine Büchsen und Pistolen in Richtung der Klabauter vor den Ställen, dann waren sie über die Seesternzacke hinweg und ließen die Stallungen und die fliehende Herde hinter sich.
»Sie haben verfluchtes Glück gehabt!«, brüllte der Schütze über den Lärm der Waffen und den tosenden Gegenwind. Sein Lachen klang erleichtert. Wie alle Gardisten Aeleniums verspürte auch er eine tiefe Liebe zu den eleganten Seepferden.
Sie hatten die Stadt halb umrundet, als sie erneut in einen Hagelschauer aus Fischkadavern gerieten. Diesmal tat Griffin etwas, wogegen er sich bisher gewehrt hatte: Er missachtete D’Artois’ Befehl, brach aus der Ringformation der Rochenreiter aus und lenkte sein Tier scharf nach außen.
Ismael jubelte übermütig, so als sei dies alles nur ein einziger großer Spaß, den sie sich erlaubten. Zugleich gab er eine ganze Salve von Schüssen auf eine Klabauterhorde ab, die sich gerade eben anschickte, an Land zu gehen. Die Treffer in ihren vorderen Reihen trieben die Kreaturen zurück ins Wasser. Ismael jauchzte.
»Wohin geht’s, Junge?«, rief er, während er seine Waffen nachlud.
»Hast du Lust auf einen echten Kampf?«, gab Griffin zurück. Er spürte, dass Ismaels Übermut ihn ansteckte -vielleicht wegen seiner Erleichterung über die Rettung der Seepferde, vielleicht auch, weil dieser ganze Irrsinn längst auf ihn abgefärbt hatte.
»Na, immer doch, Junge.« Ismael schlug ihm auf die Schulter. »Wem wollen wir’s denn zeigen?«
Griffin deutete durch die Wolken aus toten Fischen hinab zum Wasser. Bis hierher reichte der Schein des Feuers nicht mehr, aber der Mond beleuchtete einen dunklen Umriss, der sich vage unter den Wogen abzeichnete. Dort unten kreiste etwas Großes, Formloses um die Ufer der Seesternstadt.
»Ihm«, entgegnete Griffin verbissen. »Wir töten den Herrn der Klabauter.«
Soledad erwachte und hatte das Gefühl, ihr Rücken bräche entzwei, falls sie mehr als nur ihren Kopf bewegte. Ihr rechter Arm brannte, und als sie hinsah, erkannte sie, dass das Leder ihres Tauchanzugs vom Ellbogen abwärts in Fetzen hing. Die Haut darunter jedoch schien weitgehend unbeschädigt zu sein.
In ihrem Schädel herrschte ein heilloses Durcheinander aus Kopfschmerzen und einer Vielzahl verwirrender Bilder: die Schlacht mit den Klabautern an der Ankerkette, ihre Flucht in die Unterstadt und dann die
Weitere Kostenlose Bücher