Die Weltenwanderer
der Sohn meines Vorgängers und einer Marú bist. Nach den Alten Regeln wärst du damit eben ein Verbotenes Kind. Sowohl für die Rhan als auch für die Marú war die Verbindung deiner Eltern ein schweres Verbrechen, schlimmer noch als Mord, vergleichbar nur mit Hochverrat.«
Erik überdachte das eine Weile und schluckte ein paar Mal heftig.
»Dann wird Leona auch verfolgt«, brachte er schließlich heraus. »Wir müssen ihr helfen.«
Van Rhyn räusperte sich unbehaglich, bevor er hervorbrachte: »Leona ist nicht deine Schwester. Sie war eine Freundin deiner Mutter. Nach deren Tod hat sie dich aufgenommen.«
»Was?« Ungläubig schüttelte er immer wieder den Kopf. »Woher weißt du das?«
Sie wurden von Frau Meise unterbrochen, die für Erik einen Becher mit heißer Schokolade und für den Ringlord einen mit Tee brachte.
Erik wärmte dankbar seine Hände an der Tasse, während Aeneas ihm von seinem Treffen mit Leona erzählte. Er schloss seinen Bericht mit der Vermutung, dass sie ihn schon bald besuchen käme. Auch Marú pflegten die Taten Jugendlicher nicht hart zu bestrafen.
Erik nickte nur. Sein altes Leben schien er am Tor des Herrenhauses abgegeben zu haben. Innerhalb weniger Tage war er ein anderer geworden, ein angehender Magier, dessen Vorfahren von fremden Planeten stammten. Mit Leona hatte er die letzte Verbindung zum alten »Ich« verloren. Unwillkürlich erschauerte er und war dankbar, als der Kakao heiß durch seine Kehle rann.
Aeneas hätte ihm gern etwas Tröstliches gesagt. Ihm fiel nur nichts ein. Seine Großmutter hatte ihm eine Menge beigebracht, unter anderem auch, wie man seine Gefühle unterdrückte. Gefühlen Ausdruck zu verleihen, hatte er indes nicht gelernt.
»Warum hat sie mir nicht vertraut? Ich habe sie geliebt, liebe sie noch immer. Und sie hat mich die ganze Zeit belogen. Ich versteh das nicht.« Der Blick, mit dem Erik den Ringlord bedachte, spiegelte Verzweiflung wieder.
»Sie liebt dich genauso. Obwohl ihre Lage alles andere als rosig war, galt ihre erste Frage dir. Sie wollte dich mit ihren Lügen schützen. Solange du selbst nicht wusstest, wer du bist, konnte es auch kein Rhan oder Marú, der mal eben deine Gedanken las, erfahren. Deine Unwissenheit war dein größter Schutz. Als ihre Verfolger zu nahe kamen, hat sie dich uns anvertraut.«
Er blinzelte Erik an und zuckte die Achseln. »Sie ist nicht deine Schwester, aber sie hat sich wie eine verhalten. Ich habe keine Geschwister, eine Schwester wie Leona hätte ich gern gehabt.«
Erik sah in eine Weile unverwandt an, dann nickte er. »Ich verstehe, was du mir sagen willst. Für mich wird sie immer meine Schwester bleiben. Du denkst, es wird ihr nichts Schlimmes passieren?«
»Ich weiß, dass ihr nichts passieren wird. Die Marú sind unsere Feinde und noch strenger als wir, wenn es die Verbrüderung unserer Rassen betrifft. Sie ahnden das mit der Todesstrafe. Darum geht es hier aber nicht. Leona war als Jugendliche irgendwie in den Tod eines Marú verwickelt. Sie sagte, es wäre ein Unfall gewesen, und das Tribunal wird ihre Gedanken während ihrer Aussage lesen. Die Wahrheit wird also ans Licht kommen. Traust du ihr einen Mord zu?«
»Nie im Leben!«
Aeneas’ Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Dann sei unbesorgt und freue dich auf ein baldiges Treffen mit ihr!«
Erik hatte in den letzten Tagen so viele Neuigkeiten verarbeiten müssen, dass sein Gehirn sich schlicht überfordert zeigte. Nur Gedankenblitze schossen hin und wieder an die Oberfläche.
»Lebt mein Vater denn noch?«, fragte er irgendwann.
Aeneas schüttelte bedauernd den Kopf. »Dein Vater starb bei dem großen Brand vor zwölf Jahren. Rufus war damals schon Bibliothekar hier. Er wird herausgefunden haben, wer du bist, und hat wohl geglaubt, er müsse uns vor dir, oder vor dem, was aus dir werden könnte, schützen. Rhan sind verbohrt, wenn es um den Verstoß gegen die Heiligen Regeln geht. Als Spross einer geächteten Verbindung bist auch du zwangsläufig geächtet. Auf Rhanmarú wärst du zwar geduldet, hättest aber keine Rechte. Dein Name dürfte nicht in den Annalen geführt werden. Deshalb bitte ich dich auch, dein Wissen für dich zu behalten. Bote Marcks würde dich umgehend auf unseren Heimatplaneten schleppen, wo du in irgendeinem Heim für unerwünschte Jugendliche untergebracht und erzogen werden würdest. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dir das gefiele. Lass uns offiziell dabei bleiben, dass du Erik Haiden bist.«
Erik
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