Die Widmung: Roman (German Edition)
den Becher aus. Als sie das Gefühl hatte zu fallen, spürte, wie die Muskeln sich entspannten, ein kurzes Loslassen, das schnell kam und wieder verschwand, rutschte sie unter das Wasser, ließ es in Ohren und Mund eindringen. Sie stemmte die Beine weit auseinander und ließ sich von der Hitze erfüllen. Dann wurde es in ihrem Kopf endlich ruhig, und sie vergaß Lilly und die furchteinflößende Hochzeitsplanerin und Finch und schließlich auch Michael und die Gewissensbisse, die derzeit meistens an ihr nagten, wenn sie an die Hochzeit dachte und an alles, was sie eigentlich erledigen sollte.
Zee merkte erst, dass sie eingeschlafen war, als sie Michael über ihr im Bad stehen sah. Wie lange wohl schon? Das Wasser war mittlerweile kalt, der Himmel draußen dunkel.
Sie kletterte aus der Wanne und nahm sich ein Handtuch.
»Ich hab dich gar nicht reinkommen gehört«, sagte sie und wickelte sich in den Frotteemantel.
Er stand einfach da und schaute sie an, sein Gesichtsausdruck war schwer zu ergründen. Sie merkte, dass er etwas zu sagen hatte, etwas Wichtiges, wie es aussah, aber sie war noch nicht bereit für ein Gespräch.
»Einen Moment, ja?«, sagte Zee, und Michael drehte sich um und verließ das Bad.
Sie ging ins Schlafzimmer und holte sich ein Paar Socken, damit sie nicht noch mehr Fußabdrücke auf dem Holzboden hinterließ. Dann zog sie ein Sweatshirt und Jeans an.
Er war in der Küche und aß ein Stück Lachs. Sie erkannte die O-Ya-Schachtel.
»Was soll das alles?«, fragte sie ihn.
»Ich habe dich angerufen. Du bist an kein Telefon gegangen.«
»Tut mir leid«, sagte sie. Damit fing sie momentan die meisten ihrer Sätze an.
»Die Hochzeitsplanerin hat gekündigt«, sagte Michael. »Aber sie berechnet uns sechstausend Dollar für ihren Zeitaufwand.« Er hielt ihr die Platte hin. »Ich schätze mal, die Dinger hier sind einen halben Tausender pro Stück wert.«
Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte keinen Hunger. Ihr war ein wenig schlecht.
»Für den Preis hätte sie auch den Sake mitschicken können«, meinte er.
Sie ging zu ihm und umarmte ihn, länger als sie wollte. Er erwiderte die Umarmung nicht. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich übernehme die Rechnung.«
»Es geht nicht um das Geld«, sagte er. Er zögerte, bevor er fortfuhr. »Ich muss dir eine wichtige Frage stellen.«
»Was für eine Frage?«
»Willst du NICHT heiraten?«
Das traf sie unvorbereitet. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Ach, Zee.«
Ein langes Schweigen folgte. Die Wahrheit war, sie wusste es nicht. Sie wusste nicht, ob sie grundsätzlich heiraten wollte oder ob ihr nur das gesamte Prozedere zuwider war. Die große Hochzeit, das war ganz klar sein Wunsch. Sie kam nur auf etwa fünf Leute, die sie überhaupt einladen wollte.
»Vielleicht mag ich einfach die Hochzeitsplanerin nicht.« Das wusste sie zumindest sicher, auch wenn sie sonst nicht viel wusste. Sie kam sich plötzlich albern vor wegen des Schneefrei-Tags und hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn verstimmt hatte.
»Na, das Problem hast du ja wohl gelöst.«
»Ach, komm«, sagte sie. Sie langte in die Schachtel, die man ihnen geschickt hatte, und holte ein Sushi heraus. Sie würde abbeißen, Michael sagen, wie lecker es schmeckte und dass sie glaubte, sie hätten das perfekte Essen für die Hochzeit gefunden. »Das ist wirklich gut«, sagte sie. »Sehr gut sogar.« Sie musste gar nicht lügen.
Das Telefon klingelte. Zee machte keine Anstalten ranzugehen.
Sie folgte seinem Gedankengang. Michael war Spieltheoretiker und auf seinem Gebiet ebenso berühmt wie Mattei. Er wurde dafür bezahlt vorherzusagen, wie sich Gruppen von Menschen verhalten würden. Daher schien Michael immer vorab zu wissen, was sie tun würde, selbst wenn sie selbst (wie es derzeit häufig der Fall war) gar keine Ahnung hatte.
Geh nicht ans Telefon , dachte sie.
Sie sprach es nicht aus. Es wäre albern gewesen. Und es hätte nichts genützt. Als sie so neben ihm stand, hatte sie das Gefühl, sie wäre die Spezialistin für Spieltheorie, denn sie wusste genau, wie er sich verhalten würde.
Beim fünften Klingeln ging Michael ans Telefon. »Ja?«, sagte er in den Hörer. Zee merkte, dass es Mattei war. Damit sie seinen Tadel von vorhin weiter zu spüren bekam, führte er aus: »Nein, Zee geht offensichtlich nicht an ihr Handy.« Er hörte Mattei einen Augenblick zu, dann ging er auf ihre Anweisung zum Fernseher und schaltete ihn an. »Welches Programm?«, fragte er noch und
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