Die Widmung: Roman (German Edition)
bisschen über Irland und seinen Bruder Liam, der gestorben war. Sie redeten so viel, dass sie ganz vergaßen, wie spät es war. Sie wunderten sich wirklich, als die Kellnerin zu ihnen an den Tisch kam, um sie zu bitten, nun zu bezahlen, weil sie nach Hause gehen wollte.
Ann entschuldigte sich und ging zur Damentoilette. Beim Händewaschen sah sie lange in den Spiegel und versuchte, etwas in ihrem Gesicht zu erkennen, eine Veränderung.
Mickey zahlte die Rechnung und holte sie an der Tür ein. Sie liefen am Pier vorbei zu Anns Laden.
»Willst du noch mit reinkommen?«, fragte sie.
»In deinen Laden?«
»Ja. Ich mach dir einen Tee.«
Er sah sie an. »Was denn für einen Tee?« Er dachte an den Tee, für den sie berühmt war.
Sie lächelte ihn an.
»Bist du dir sicher?«, fragte er.
»Sicher bin ich mir überhaupt nicht«, sagte sie. »Aber heute Nacht ist mir nach Abenteuern.«
»Okay.« Er folgte ihr in den Laden und wartete, bis sie die Tür hinter ihnen abgeschlossen hatte und ihn durch den Perlenvorhang ins Hinterzimmer führte. »Tee brauche ich übrigens keinen.«
»Wir werden sehen«, meinte sie.
60
Zee verpasste das letzte Schiff nach Hause. Es war halb elf. Sie hatte bis zum Schluss durchgehalten und war bei allem dabei gewesen, beim traditionellen ersten Tanz, dem Anschneiden der Torte und dem Werfen des Brautstraußes.
Vom Pier ging sie zurück zur Vorderseite des Hotels und zu dem Taxistand, wo Michael mit seiner Begleiterin darauf wartete, dass ihm sein Auto gebracht wurde. Sie nickte ihm im Vorübergehen zu.
Er entschuldigte sich und folgte ihr.
»Zee?«
Sie wandte sich um. Den ganzen Abend war es ihnen gelungen, sich voneinander fernzuhalten. Mattei und Rhonda hatten sie möglichst weit auseinandergesetzt, Zee zu ihren Kollegen und Michael zu seinen.
»Alles Gute zum Geburtstag«, sagte er.
»Danke.«
»Ich wollte dich zum Tanzen auffordern. Aber ich habe kalte Füße gekriegt.«
»Wahrscheinlich ist es besser so«, sagte Zee und schaute in Richtung seiner Begleiterin.
Michael zuckte mit den Schultern. »Du bist mutiger als ich. Ich wollte heute Abend nicht allein kommen.«
Sie lächelte.
»Wie geht es Finch?«
»Nicht sonderlich gut.«
»Mattei hat erzählt, er ist gestürzt?«
»Er ist in einem Pflegeheim.«
»Das tut mir leid«, sagte er.
»Danke.«
»Es tut mir auch leid, wie ich alles beendet habe.«
»Das war ziemlich brutal«, sagte sie.
»Und feige«, fügte er hinzu.
»Vielleicht.«
»Es tut mir leid«, wiederholte er.
»Angenommen.«
»Ich habe dich zu etwas gedrängt, wozu du ganz klar noch nicht bereit warst«, sagte er.
»Ich glaube, es war überhaupt nicht klar, wofür ich bereit oder nicht bereit war«, sagte sie. »Am allerwenigsten mir.«
»Und ist es jetzt klar?«
Merkwürdig, dass er diese Frage zu diesem Zeitpunkt stellte, besonders weil seine neue Begleiterin nur wenige Meter entfernt stand. Trotzdem, er hatte eine Antwort verdient, und sie hatte ihm nie eine gegeben.
»Ja«, sagte sie.
»Und?«
»Auf Wiedersehen, Michael.«
61
Roy saß am Küchentisch und zählte sein Geld. Vierhundertundfünfzig Dollar. Dazu das Geld, das er dem Mädchen abgenommen hatte. Er hatte es noch nicht gezählt, eigentlich hatte er es überhaupt nur genommen, damit es nach einem Raubüberfall aussah. Die Vorstellung von Hawk hinter Gittern brachte ihn zum Lachen. Er hatte den Hammer mit Adams Namen darauf direkt neben der Leiche liegen lassen, wo sie ihn sofort finden mussten. Roy wusste, dass sie ihm irgendwann draufkommen würden, doch dann wäre er längst verschwunden.
Er schob das Drehtablett an und betrachtete den Kuchen. ALLES GUTE , ZEE stand darauf. Die Buchstaben waren krumm und schief.
Roy hatte Hunger. Er wollte den Kuchen essen, aber er brauchte noch mehr. Die zwei Flaschen Wein, die er im Weinregal gefunden hatte, hatte er schon fast ausgetrunken. Auf der Suche nach etwas zu essen warf er einen Blick in den Kühlschrank. Dort lagen nur zwei ziemlich alt aussehende Sandwiches, die er nicht anrühren wollte. Kaufte denn kein Mensch mehr Lebensmittel ein? Im Gemüsefach stieß Roy auf etwas Schmelzkäse, einzeln verpackte Scheiben. Er überprüfte das Haltbarkeitsdatum seitlich auf der Packung und wickelte eine Scheibe aus.
Er konnte es nicht fassen, dass sie ihn rausgeworfen hatten. Fast zwölf Jahre lang war er Vorarbeiter bei Cassella Construction gewesen. Sie behaupteten, sie müssten Arbeitsplätze abbauen, aber in so einem Fall feuert man
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