Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
Vom Netzwerk:
über etwas völlig anderes.
    Finch hatte zwar zunächst vorgehabt, sie nach Amherst mitzunehmen, doch er erzählte Maureen dann doch nichts von dem Angebot. Er konnte sie nicht mitnehmen, nicht in ihrem derzeitigen Zustand, und er entwickelte Fluchtfantasien. Er liebte sie zwar, aber für ihn war das immer eine Liebe gewesen, wie man sie einem schönen Gemälde oder Berninis Skulptur von Apoll und Daphne entgegenbringt. Es war die Liebe zu einem weiblichen Ideal, die nicht auf dem Alltag beruhte. In ihrem täglichen Leben begriff er langsam, wie geplagt sie war. Finch hatte immer Kinder haben wollen. Es war nicht dazu gekommen, und er wurde zunehmend distanzierter, ertrug es nicht mehr, in ihrer Nähe zu sein, und schlief getrennt von ihr unten im Gästezimmer.
    Doch dann kam der Frühling und mit ihm die längeren Tage und das helle Sonnenlicht. Auch Maureens Stimmung hellte sich auf. Sie packte die Sachen zusammen, die sie auf der Insel brauchen würden: warme Decken, Samen für Sommermais und Tomaten. Da sie wusste, dass er von Kindern träumte, kam Maureen nachts zu Finch ans Bett. Sie hatte ihm einen Tee gekocht und flüsterte ihm in der Dunkelheit zu, was für schöne und kluge Kinder sie haben würden. Sie liebten sich. Doch als Finch sich langsam entspannte und ihr von dem Engagement im Sommer erzählte, das er ohne ihr Wissen angenommen hatte, weigerte sich Maureen mitzukommen. Das sei ein Verrat, sagte sie. So weit weg vom Meer zu wohnen, das würde ihren sicheren Tod bedeuten.
    Und so ging Finch nach Amherst und sie auf Baker’s Island. Doch als der Sommer halb vorüber war, merkte sie, dass sie schwanger war, erzählte sie Zee. Sie verließ die Insel und schlug sich nach Amherst durch, wo sie vor sämtlichen Mitwirkenden des Projekts ihre bevorstehende Mutterschaft verkündete. Einen der Schauspieler schien diese Nachricht ziemlich mitzunehmen, ein Student, der den jungen Hawthorne spielte, ein hübscher Junge, im Kostüm ein vollkommenes Ebenbild der geplagten Schönheit Hawthornes.
    Zee erkannte sofort, dass ihre Mutter diese Geschichte umgeschrieben hatte. Maureen konnte in jenem Sommer unmöglich ihre Schwangerschaft verkündet haben. Sie wurde erst später im selben Jahr schwanger. Aber für eine gute Geschichte änderte Maureen gerne einmal die Fakten. Im Laufe der Jahre hatte sich Maureens Geschichte öfter geändert, als Zee sich erinnern konnte.
    »Ich hätte es damals schon sehen müssen«, gestand sie Zee häufig ein. »Ich hätte sehen müssen, was kommt.«
    Aber sie sah es noch eine ganze Weile nicht, genauso wenig wie Finch. Mit der Schwangerschaft an sich kam Maureen sehr gut zurecht. Sie sei noch nie so glücklich gewesen, sagte sie. Und Finch freute sich so sehr auf das Kind, dass ihre manische Phase während all der Monate ihrer Schwangerschaft anhielt, ohne mit dem Licht des Winters in Traurigkeit zu versinken, beinahe bis in den Herbst hinein, bevor die Wochenbettdepression sie so arg traf, dass sie ins Krankenhaus musste.
    Bei Maureen wurde eine manisch-depressive Erkrankung diagnostiziert. Heutzutage würde man das eine Bipolar-I-Störung nennen, mit Halluzinationen. Maureen hörte Stimmen, sie sah Gespenster.
    Nach der Diagnose übernahm Finch die Betreuung, und als Maureen ins Haus zurückkehrte, ging er mit ihr um wie mit einer wertvollen Statue. Er machte viel Aufhebens um sie, kam ihr aber nicht zu nahe, vor lauter Angst, sie könnte schon bei der leichtesten Berührung kaputtgehen.
    Maureen kam aus dem Krankenhaus nach Hause, nur um sich für den folgenden Sommer auf die Insel zurückzuziehen, wo sie keine Besucher duldete, noch nicht einmal Finch. Sie bat darum, allein gelassen zu werden. Finch tat ihr den Gefallen, zum einen, weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, zum anderen, weil Maureen Zee zurückgelassen hatte, und er schaffte es gerade einmal, sich um seine kleine Tochter zu kümmern.
    In den zwei darauffolgenden Monaten konnte Finch wenig anderes tun, als die Nachbarn zu bitten nachzusehen, ob Maureen wohlauf war, und dafür zu sorgen, dass sie genügend Verpflegung hatte. Sie widmete sich voll und ganz dem Schreiben und verfasste noch mehrere Märchen.
    Als sie im September zurückkehrte, stellte Finch keine Fragen. Er war glücklich darüber, dass seine Familie wiederhergestellt und Maureen sich ganz erfüllt von ihrer neuen Tätigkeit und (endlich) ihrem kleinen Kind zeigte, und kam daher überhaupt nicht auf die Idee, dass es eine einsetzende

Weitere Kostenlose Bücher