Die Wildrose
ich dachte, das wolltest du!«, antwortete Willa tadelnd. »Ich dachte, ich sollte einen Mann finden und Kinder kriegen. Hast du mir das nicht letzte Nacht gesagt? Soll ich das nicht tun?«
»Doch, aber was ich will, hat keine Bedeutung. Es ist Allahs Wille, der zählt, und der hat noch viel Arbeit für dich, und Nähen gehört nicht dazu.«
Gerade als Willa erwidern wollte, was für eine unmögliche Frau Fatima sei, hörten sie ein schwaches, heiseres Stimmchen. »Mama?«
Es war Daoud. Er hatte die Augen geöffnet, sein Blick war klar. Er sah seine Mutter an, die gerade Tee einschenkte und das Glas und die Kanne fallen ließ. Sie eilte zu ihm und umarmte ihn.
»Ich bin durstig, Mama«, sagte er immer noch schwach und verwirrt.
Willa gab dem Kind wieder Tee, dann lief sie los, um seinen Vater zu suchen. Beide rannten in Fatimas Zelt zurück, und dann überließ Willa die Familie sich selbst. Aus irgendeinem Grund brachte sie der Anblick des grimmigen Beduinenscheiks, der am Bett seines Kindes saß und seine kleinen Hände küsste, zum Weinen.
»Er ist übern Berg«, sagte sie zu Lawrence. Dann taumelte sie zum Zelt von Khalafs sechster Frau – wo sie sich bei ihrer Ankunft gewaschen hatte –, sank auf ein paar Kissen und schlief volle fünfzehn Stunden durch.
Als sie aufwachte, saß Fatima lächelnd vor ihr. »Es geht ihm gut«, sagte sie.
Willa erwiderte ihr Lächeln und richtete sich auf. »Ich bin so froh, Fatima!«
»Khalaf wünscht, dich zu sehen, nachdem du gegessen hast. Aber ich wollte dich zuerst sehen«, sagte sie. Dann stand sie auf und kniete sich neben Willa nieder. Sie zog ein Halsband aus den Falten ihres Gewands und legte es ihr um den Hals, bevor Willa protestieren konnte.
»Khalaf hat es mir geschenkt, als Daoud geboren wurde. Ein Geschenk für die Frau, die seinen ersten Sohn geboren hat. Du hast meinem Kind das Leben wiedergeschenkt, Willa Alden. Jetzt bist auch du seine Mutter.«
Sprachlos blickte Willa auf die Kette hinab, die um ihren Hals hing. Sie bestand aus goldenen, mit Türkisen besetzten Medaillons, die von Perlenschnüren aus rotem Bernstein und Achat zusammengehalten wurden. Fatima hob die Kette an und schüttelte sie. Die Medaillons klingelten leise.
»Hörst du das? Das hält böse Geister ab.«
Die Halskette war sehr wertvoll. Willa wollte sie nicht annehmen, weil es ein zu großes Geschenk war. Aber das ging nicht. Ein Geschenk abzulehnen war eine schlimme Beleidigung für einen Beduinen.
Sie umarmte Fatima. »Danke«, sagte sie gerührt. »Ich werde sie immer tragen und an diejenige denken, die sie mir gegeben hat.«
Willa wusch sich, zog frische Kleider an und ging zu Khalaf al Mors Zelt. Der Scheik lächelte ihr entgegen. Sein Lächeln vertiefte sich noch, als er das Geschenk sah, das seine Frau ihr gegeben hatte. Er verbeugte sich vor ihr und dankte ihr für das Leben seines Sohnes.
Zwei Tage später und mit dem Versprechen, mit fünfhundert Mann und zweihundert Kamelen am Marsch auf Damaskus teilzunehmen, verabschiedeten sie sich von Khalaf. Vor ihnen lag ein langer Ritt in ihr Lager zurück.
»Ich wünschte, du könntest bei uns bleiben, Willa Alden«, sagte Khalaf, als er vor seinem Zelt stand und zusah, wie sie ihre Kamele bestiegen. »Ich muss dir sagen, ich habe versucht, dich Lawrence abzukaufen, aber er will sich nicht von dir trennen. Nicht einmal für zwanzigtausend Dinar. Ich kann es ihm nicht verübeln.«
»Zwanzigtausend Dinar?«, rief Auda. »Aber ich verüble es ihm. Mit zwanzigtausend Dinar könnten wir uns alle Waffen kaufen, die wir brauchen!« Trotzig reckte er das Kinn in Willas Richtung. »Ich hätte dich für fünf hergegeben«, fügte er hinzu. Dann schlug er mit der Peitsche auf den Rücken seines Kamels und ritt davon.
Lachend wünschten Willa und Lawrence dem Scheik ein letztes Mal Lebewohl und folgten Auda.
»Zwanzigtausend Dinar«, wiederholte Willa, als sie aus dem Lager der Beni Sakhr hinausritten. »Meine Güte, das ist eine Menge Geld. Und du hast es abgelehnt. Ich glaube wirklich, dass du mich magst, Tom. Ehrlich.«
»Nein, ganz und gar nicht«, antwortete Lawrence, und der Schalk blitzte in seinen Augen.
»Nein? Warum hast du mich dann nicht an Khalaf verkauft?«
»Weil ich warte, bis mir dreißigtausend geboten werden.«
53
B en Cotton, einundzwanzig Jahre alt, aus Leeds und Patient in Wickersham Hall, einem Hospital für Kriegsversehrte, saß mit gefalteten Händen und gesenktem Kopf auf dem Rand seines
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