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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Stück zurück. Über das Dach des Schuppens und dann durch ein schmales Loch in der Wand, vor dem sich die Abdeckung gelöst hatte. Ganz nah am Hauptbahnhof, ganz nah beim Polizeirevier. Niemand würde hier suchen.
    László war ein guter Kumpel, brachte Essen mit und Zuversicht, wenn sie sich zwischen den Gleisen des Güterbahnhofs trafen oder in der Nähe des Osthafens, hinter dem Puff. László war stark, machte Pläne. Gute Pläne. Trank mit ihm Wodka, wie in den hellen Tagen, die noch gar nicht so lange her waren. Wenige Monate nur. Als die Welt für ihn noch voller Möglichkeiten steckte.
    Aber jetzt war Jürgen ein hilfloses Wrack, verkroch sich in dunk len Ecken, wie eine Ratte. Fürchtete sich vor jedem Geräusch, erschreckte bei seinem eigenen Husten, der dumpf durch das leere Gemäuer hallte. Er zog den Kopf zwischen die Schultern und verbarg die untere Gesichtshälfte im Kragen der Jacke, um sich mit seinem eigenen Atem ein wenig zu wärmen. Dort stank es nach Tabak und Schweiß. Seine Arme umklammerten die angewinkelten Beine und er legte den Kopf auf die Knie. Draußen erwartete ihn Schlimmeres als nur die Kälte.
    Nach Hause, dachte er. Ich will einfach nur nach Hause.

Tag 4 – Donnerstag
    Wieso er schon wieder da war, wusste Adrian nicht. Zum Glück fragte Henry nicht danach. Nichts vom dem, was sie ihm aufgetragen hatte, war erledigt. Weil er sich nicht entschließen konnte, Elisabeths Wohnung schon wieder zu betreten. Zu Hause bleiben, wäre eine bequeme Lösung gewesen und eine logische, um ihren fragenden Augen zu entgehen. Er fürchtete, sie würde wieder bohren, sanft aber hartnäckig. Trotzdem war er hier, saß auf dem Drehstuhl und beobachtete sie schweigend bei der Arbeit.
    Vor ihr auf dem Versorgungstisch lag eine nackte, männliche Leiche, die sie soeben gewaschen hatte. Das Waschwasser verschwand in der Ablaufrinne, gluckerte dann durch den Abfluss in der Raummitte, wo ein kleiner Schaumberg zurückblieb. Aus einem Regal nahm Henry eine Dose mit Rasierschaum, schüttelte sie kräftig und drückte eine Portion in ihre linke Hand. Sie verteilte den Schaum auf Kinn, Schläfen und Hals des Verstorbenen, rasierte ihn sorgfältig und cremte dann die Haut ein. Adrian ahnte es mehr, als er es sah. Ihr Rücken versperrte ihm zeitweise die Sicht, und obwohl er jede ihrer Bewegungen verfolgte, war er nicht erpicht darauf, das Gesicht des Toten zu sehen.
    »Wieso machst du das?«, fragte er.
    »Die Haut kriegt mikrofeine Risse durch die Rasur, die die Creme wieder verschließt. Die Haut kann sich ja nicht mehr regenerieren.«
    »Na und?«
    »Am Anfang macht das nichts, aber später verfärben sich die Schnittstellen, und das sieht ziemlich scheußlich aus; vergilbte Narben sind nichts für empfindsame Gemüter.«
    Ihr Hinweis auf die Befindlichkeiten von Angehörigen missfiel ihm. Hatte sie ihm das angemerkt? Jedenfalls verfolgte sie das Thema nicht weiter. Sie wählte ein Shampoo aus dem Sortiment – männlich herber Duft – wusch das spärliche Haar, und föhnte es anschließend gründlich trocken.
    »Erinnerst du dich an den Mann, den ich in Arbeit hatte, als du zum ersten Mal hier warst? Er war ein echter Rock’n’Roller, darum damals auch mein Schlagzeugsolo … War eine schöne Feier heute Morgen. Kein Pfarrer dabei, nur Freunde und Familie. Ziemlich entspannt das Ganze. Klar, alle waren traurig, aber nicht verzweifelt. Man hat gespürt, dass er selbst ein positiver Mensch gewesen sein muss. Dem Leben zugewandt, der Zukunft.«
    Sie cremte den restlichen Körper ein und knetete ihn mit geschickten Fingern durch. »Das löst die Totenstarre und erleichtert n achher das Anziehen.«
    Danach beträufelte sie Wattebäusche mit einer Flüssigkeit und stopfte diese in die Nasenlöcher des Mannes. Sie tränkte weitere Wattepfropfen, und Adrian vollführte eine schwungvolle Kehrtwende mit dem Stuhl. Wo sie die nun einpasste, wollte er nicht wissen. Oder das, was er mutmaßte, zumindest nicht auch noch sehen.
    »Die zweite Beerdigung war das krasse Gegenteil«, nahm Henry ihre Erzählung wieder auf. »Mit Fürbitten, Psalmen, Schmerz und vielen Tränen.« Sie drehte sich zu ihm um. »Was ich nach all den Jahren nicht verstehen kann ist, warum gerade die, die an ein Le ben nach dem Tod glauben, den Tod oft nicht akzeptieren können.«
    Er antwortete nicht. In ihrer Hand blitzte eine Nadel. Sie erklärte den nächsten Arbeitsschritt, und er wandte schnell den Kopf zu Seite.
    »Was glaubst du? Bist du

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