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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Dunkelheit des Zimmers. Leichtfüßig tänzelte er vor und zurück, drehte sich um die eigene Achse und schickte einen Tritt hinterher. Sein Fuß kam präzise einen Zentimeter vor der Wand zum Stillstand.
    Noch drei Tage. Danach konnte er sich um den Hals des dämlichen kleinen Scheißers kümmern, den er unglücklicherweise mehr liebte als einen Bruder. Obwohl er ihm nichts als Ärger einhandelte, seitdem er ihn kannte.
    In der Scheibe spiegelte sich sein nackter Oberkörper. Ein Bluterguss an der Schulter, einer unterhalb der Rippen. Er tastete mit den Fingerspitzen und verzog das Gesicht. Alles hatte seinen Preis. Und jeder musste irgendwann bezahlen.

* * *
    Mitten in der Nacht erwachte Adrian, seine Hände krampften sich um die Bettdecke, kaltes Entsetzen nahm ihm die Luft. Er erinnerte sich nicht an seinen Traum. Nur an das Gefühl der Unzulänglichkeit, Hilflosigkeit. Und an Elisabeths Lachen. Schemenhaft huschten Gedankenfetzen vorbei. Erinnerungen. Wie sie ihn mit unmäßiger Zuneigung überschüttete und anschließend tagelang kein Wort mit ihm sprach. Wie sie ihm, solange er klein war, abends an seinem Bett Geschichten vorlas, und er dabei ab und zu ein Streicheln erhaschte. Er hatte sich nach ihren seltenen Berührungen gesehnt. Doch dann nicht mehr. Nie mehr.
    Trotzdem spürte er Stolz, wenn sie ihn lobte vor den Gästen Gunther von Bragelsdorfs, und fürchtete den Blick, der auf ihm ruhte, wenn sie ihnen den Rücken drehte und sich unbeobachtet fühlte.
    Häufig prasselten Schimpfworte und Schläge auf ihn nieder, sobald sie allein waren. Lügner, Versager, Missgeburt.
    Du bist wie dein Vater, spuckte sie mit solcher Verachtung in den Raum, dass er sich in jenen Augenblicken schwor, niemals eine Frau oder ein Kind zu haben. Ein Vater zu sein, sein Vater zu sein , musste etwas ganz Fürchterliches bedeuten. Und morgen würde er diesen Mann treffen.
    Adrian machte Licht, stieß mit den Füßen die Bettdecke von sich und riss das Fenster auf. Der Duft von Rosen verfolgte ihn. Voll erblüht entfalteten sie ihr ganzes Aroma, um dann umgehend zu verwelken. Am Stängel zu kompostieren. So hatte er es immer empfunden. Rosen und Verwesung gehörten untrennbar zusammen. So wie sie zu Elisabeth gehörten. Und wenn er sich nicht ins offene Grab erbrechen wollte, konnte er ihr unmöglich Rosen mit auf den letzten Weg geben. Sein Gefühl des Ekels ließ sich nicht unterdrücken. Obwohl es sicher angemessen gewesen wäre, ihr ihre Lieblingsblumen zu gönnen. Erwachsen.
    Die kalte Nachtluft ließ ihn frösteln, trotzdem blieb er am offenen Fenster stehen. In der Wohnung gegenüber war es dunkel. Die glückliche Familie schlief vermutlich und träumte glücklich vor sich hin von ihrer glücklichen Zukunft. Er knurrte verächtlich.
    Mutter, Vater, Kind. Wie naiv musste man sein, um an ein dauerhaftes Glück zu glauben?

Tag 5 – Freitag
    Der Tote sollte einbalsamiert, noch am Nachmittag für seine Freunde aufgebahrt und anschließend zur Bestattung auf die Reise in die Ukraine geschickt werden. Es gab keinerlei Unterlagen. Der Mann auf dem Tisch fühlte sich warm an.
    »Der ist ja noch nicht mal kalt! Und wo ist der Totenschein?«
    Die beiden Männer, die ihn auf Henrys Arbeitstisch platziert hatten, reagierten gelangweilt auf ihre Verwunderung. »Kommt noch«, erwiderte der rechte lapidar und grinste.
    »Beides«, setzte der linke hinzu und stocherte mit einem Streichholz zwischen den Zähnen. »Sorgen Sie einfach dafür, dass er gut aussieht. Das blühende Leben, vom Herzinfarkt dahingerafft. Herr Moosbacher weiß Bescheid.«
    Henry runzelte die Stirn. Was war das denn für ein komisches Gespann? Sie sahen einander ähnlich, tiefliegende Augen, breite Nasen, wobei der mit dem Streichholz etwas kleiner war, mit einem fast runden Kopf, der andere insgesamt schmaler. Soweit man bei diesem Kaliber von schmal sprechen konnte.
    »Sie können jetzt gehen, ich sage Ihnen Bescheid, wenn ich fertig bin.«
    Die Kleiderschränke schüttelten unisono die Köpfe und überkreuzten die Arme. Türsteher. Nur wollte hier keiner rein. Und vom Tisch geflüchtet war auch noch keiner. Langsam drängte sich ihr der Verdacht auf, dass sie es war, der man den Weg nach draußen versperrte.
    »Wollen Sie im Ernst die ganze Zeit hier stehen bleiben? Das dauert locker zwei Stunden.«
    »Kein Problem.«
    Der mit dem Streichholz kratzte sich die stoppelige Halbglatze und zog ein kleines Buch aus der Tasche. »Totenwache für einen

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