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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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ich Carol nicht ansehen kann, hefte ich meinen Blick auf Norm. »Es tut mir so leid«, sage ich.
    »Wie?«, fragt sie wehklagend. »Wie?«
    »Ermordet«, stößt Norm aus. »Der Mörder hat sie erwischt, genau wie die anderen.«
    Carol sinkt auf die Knie, streckt das Gesicht und die Arme schreiend in die Luft, dann vergräbt sie es in den Händen. »Neeeiiiin!«
    Norm geht zu ihr, will ihr auf die Beine helfen, doch sie stößt ihn weg. »Brenda!«, schreit sie. »O mein Gott, Brenda!«
    Lois erscheint in der Tür, sieht mich an. »Kann ich irgendetwas tun?«
    »Rufen Sie noch einmal Pfarrer Peterson an«, sage ich. »Sagen Sie ihm, wir haben einen Notfall.«
    Sie nickt und geht leise weg.
    Norm zieht Carol auf die Füße und schiebt sie sanft auf einen Stuhl, wo sie sich vornüberbeugt und laut wehklagt.
    Er selbst wischt sich übers Gesicht und steht jetzt schwankend vor meinem Schreibtisch wie ein Mann, der gerade aus der Achterbahn gestiegen ist. Doch als er mich anblickt, ist sein Blick stechend. »Wurde sie vergewaltigt?«, stößt er aus.
    »Das wissen wir noch nicht.«
    Er kratzt sich mit der Hand übers Gesicht, bohrt die Finger in seine Augen. »Warum in Gottes Namen ist dieser Wahnsinnige immer noch nicht gefasst?«
    »Wir tun alles Menschenmögliche«, erwidere ich.
    Carol Johnston hebt den Kopf und zeigt mit dem Finger auf mich. »Das ist
Ihre
Schuld!«
    Die Worte treffen mich messerscharf. Ich bleibe äußerlich ruhig, doch innerlich zucke ich zusammen.
    Norms Gesicht ist schmerzverzerrt. »Musste sie leiden?«
    »Das wissen wir nicht.« Das ist gelogen, Brenda Johnston muss vor ihrem Tod furchtbar gelitten haben. Doch ich erspare ihnen die Wahrheit, wenn auch nur für kurze Zeit. »Wir müssen die Autopsie abwarten.«
    »Oh … Gott«, stößt Johnston zwischen den Zähnen hervor. Ein einziger Schluchzer entweicht seinem Mund, dann hat er sich wieder unter Kontrolle. »Drei Menschen tot. Unfassbar.« Seine Stimme wird laut. »Wie konnte das passieren?«
    »Wir arbeiten rund um die Uhr, haben alle Kräfte mobilisiert –«
    »Alle Kräfte? So nennen Sie das, Sie herzloses Miststück? Sie hatten ja nicht mal das Sheriffbüro informiert, und ich selbst hab das BCI angerufen. Und das nennen Sie ›alle Kräfte mobilisieren‹?«
    Diese Szene hat sich in den letzten beiden Tagen hundertmal genauso in meinem Kopf abgespielt. Jetzt ist das Schlimmstmögliche passiert, und obwohl mir bewusst war, dass es früher oder später eintreffen würde, weiß ich nicht, wie ich reagieren soll, und starre wieder auf den Notizblock. »Ich weiß, das ist jetzt kein geeigneter Moment, Norm, aber ich muss Ihnen einige Fragen stellen.«
    »Und ich Ihnen«, sagt er unheilvoll. »Zum Beispiel, warum Sie nicht sofort das BCI angerufen haben, nachdem klar war, dass Sie es mit einem Serienmörder zu tun haben? Warum haben Sie nicht das FBI angerufen? Sie haben den Fall von Anfang an falsch angepackt, Sie unfähiges Miststück.«
    Etwas in mir windet sich wie ein Käfer, der von einem boshaften Kind aufgespießt wurde. »Ich tue mein Bestes.«
    »Meine Tochter ist tot«, knurrt er mich an. »Ihr Bestes ist offensichtlich nicht gut genug.«
    »Das bringt doch nichts«, erwidere ich.
    Doch er lässt nicht ab. »Hätten Sie Ihre Arbeit getan, wäre meine Tochter vielleicht noch hier!« Er stürzt sich auf mich, wobei seinem Mund ein fast animalischer Laut entfährt. Ich schaffe es gerade noch aufzustehen, bevor er meinen Kragen packt und mich gegen die Wand stößt. »Dafür schmoren Sie in der Hölle, haben Sie das kapiert?«
    »Nehmen Sie die Hände weg.« Ich umfasse seine Handgelenke.
»Sofort!«
    Carol blickt auf. Obwohl in ihrem eigenen Kummer gefangen, spürt sie, dass die Situation außer Kontrolle zu geraten droht. »Hört auf! Das hilft auch nicht.«
    Johnston starrt mich an, als wollte er mich in der Luft zerreißen. Wut und Kummer stehen in seinen Augen, und ich frage mich, wie weit er gehen wird. »Bitte beruhigen Sie sich«, sage ich. »Ich weiß, dass Sie fassungslos sind.«
    »Fassungslos ist das falsche Wort!« Er zieht mich am Kragen zu sich, dann stößt er mich zurück an die Wand, lässt los.
    »Hören Sie auf«, versuche ich es noch einmal. »Ich brauche Ihre Hilfe.«
    »Sie pazifistisches amisches Miststück!« Er spuckt die Worte aus, als hätte er in etwas Faules gebissen. »Ich rede mit Detrick, nicht mit Ihnen.«
    Er nimmt seine Frau am Arm und geht mit ihr zur Tür. Carol Johnston sieht aus, als wäre

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