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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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langer Hals war von einem Halsband mit zehn Reihen Perlen betont. Ihre runden Schultern waren nackt, und der viereckige Ausschnitt des Kleides preßte ihren vollen Busen als zwei verlockende Halbkugeln nach oben. In die tiefe Spalte, die sich zwischen den Brüsten formte, hatte sie sich einen Schönheitsfleck kleben lassen. Die Mouche hob und senkte sich aufreizend mit jedem Atemzug. Ihr Kleid war aus tiefblauer Seide, und teure Spitzen und Bänder schlangen sich um die Schultern und den Saum der schmalen Ärmel, die ihr bis zum Ellenbogen reichten. Warwara war ähnlich herausgeputzt, nur war ihr Haar zu einem wahren Turm unter einem Gesteck aus weichen Federn eines seltenen Vogels aus einem Land weit im Süden aufgesteckt. Ihr Hals war nackt, aber sie trug schwere Ohrgehänge aus Gold mit jeweils einem einzigen großen Smaragden in der Mitte. Sie sprach kaum und schien mit den Gedanken weit weg zu sein. Beide Arsenjewas trugen lange Handschuhe aus weichem Leder und hielten bestickte Börsen in den Händen, von denen lange Silberfransen herabhingen.
    Ich war jedoch auch mit meinem eigenen Aussehen zufrieden: Darja hatte mir bei der Auswahl des Kleides und des Putzes geholfen. Das Kleid nach französischer Art war aus sanft schimmernder Seide in einer Farbe, die mich an Scheremetjews Tabakblätter erinnerte. Im Licht der Kerzen aber schimmerte der Stoff wie Feuer. Meine Zofe hatte mit weichen Fingern meine Haare aus dem Gesicht gehoben und hatte mir einige von Darjas Perlenschnüren in den Ansatz geflochten. Unterhalb meines Nackens fielen die Haare dann schwer und dunkel über meine Schultern. Das Mädchen hatte sie mit einer Mischung aus Kefir und Zitronensaft liebevoll bestrichen, bis meine Haut wieder leidlich hell und rein war. Meine Ohren und mein Hals waren nackt: Ich war keines Mannes Geliebte und konnte mich so nicht mit seinen Geschenken schmük ken, wie die Arsenjewas es konnten. Aber ich war stolz auf die feine Spitze aus Gold und die kleinen Perlen an meiner Brust: Sie stammten aus dem gostiny dwor und waren sicherlich mein wertvollster Besitz.
    Der Schöne oder Rote Platz vor dem Kreml sah in jener Nacht im Licht der Fackeln und der Laternen und dem geschäftigen Treiben um den Kreml wie verzaubert aus: In den Geschäften in den dreistöckigen Häusern mit offenen Balustraden aus Stein um den Platz herum herrschte noch immer reges Treiben, und aus den Kaffeehäusern, die ich damals in Moskau zum ersten Mal sah, drang weiches Licht in das dichte Schneetreiben und den Frost der Nacht. Außer den vielen wohlanständigen Bürgern, den Soldaten, den Schlitten und den Männern zu Pferde hasteten Bedienstete über den Platz, um noch letzte Besorgungen zu erledigen. Aber wie viele lose Mädchen an den Mauern standen, und wie viele Bettler in den Ecken der Häuser Schutz vor dem eisigen Wind und dem Schnee suchten! Am Morgen würden ihre erfrorenen Körper vor die Stadt gebracht werden, wo sie in den offenen Lehmgruben den hung rigen Wölfen zum Fraß dienten.
    Um den Kremlpalast selber zog sich eine Mauer an der Längsseite des Platzes entlang. Das trutzige Gebäude wirkte wie das düstere Gegenteil zu den reich verzierten Türmen und Kuppeln der Basilius-Kathedrale. Der Palast aus Ziegeln war von einer dreifachen Mauer aus Stein umgeben, aus der sich Wachttürme erhoben. Dahinter ragten zahllose Dächer und Kuppeln auf. Darja lehnte sich nach vorne und zeigte auf einen besonders hohen Turm: »Das ist der Glockenturm von Iwan Grosny«, erklärte sie.
    »Iwan der Strenge?« übersetzte ich. Den Namen hatte ich noch nie gehört, aber er klang hart in meinem Ohr.
    Darja nickte. »Ja, oder der Schreckliche! Ein Zar, der lange vor unserer Zeit und der Zeit unseres Zaren herrschte. Er war auch nicht aus seiner Familie. Iwan soll Tausende und Abertausende von Menschen getötet haben – er hat sogar seinen eigenen Sohn erschlagen!« Wir alle drei bekreuzigten uns rasch ob einer solchen Sünde. Darja senkte ihre Stimme und fuhr fort: »Bis ihn dann eines Tages angeblich schreckliche Schuldgefühle überkamen: Er flüchtete sich auf den Turm und läutete über Stunden hinweg die Glocken, bis seine Reue überwunden war! Peter hat mir diese Geschichte erzählt«, fügte sie stolz über ihr Wissen hinzu. »Der Turm ist so hoch, weil der Zar Iwan alles überblicken wollte. Er fürchtete nichts so sehr wie Verrat und Aufstand. Kein Wunder! In einem seiner Wutanfälle ließ er die halbe Bevölkerung von Nowgorod unter das Eis

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