Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
Selbst das Licht schien an diesem Ort ein wenig heller und freundlicher, beinahe so, als habe sich ein einzelner Sonnenstrahl hierher verirrt und wolle nun die gesamte Schöpfung allein erleuchten. Raphael und Lilith hielten unbewusst den Atem an.
„Was ist das hier?“, hauchte Lilith.
„Eleanor!“, erwiderte Raphael. „Das war Eleanor!“
Lilith sah ihn beinah entsetzt an. „Aber wie hat sie das gemacht?“
„Ich weiß es nicht.“
„Und woher weißt du, dass sie es war?“
Raphael schüttelte hilflos den Kopf. „Ich weiß es nicht.“
Lilith sah sich ratlos um. „Eines ist sicher“, sagte sie. „Wenn das hier wirklich Eleanor bewirkt hat, ist sie in noch größerer Gefahr als ich dachte.“
Raphael sah sie verstört an. „Warum?“, fragte er.
„Wenn Eleanor die Hölle in ein Paradies verwandeln kann – was meinst du dann, wie die gefallenen Engel darüber denken werden?“
„Aber es ist nur ein kleiner Garten“, erwiderte Raphael unerwartet hilflos. „Es ist doch nicht die ganze Hölle.“
Lilith schnaubte. „Wer sagt dir, dass sie das nicht auch könnte?“
Raphael blickte fassungslos zwischen dem kleinen Garten und Lilith hin- und her. Er wusste nichts auf Liliths Worte zu erwidern und so versuchte er es erst gar nicht. Es war schließlich Lilith, die die Stille durchbrach.
„Wer immer das hier getan hat, gehört nicht in die Hölle“, sagte sie leise. „Wir müssen dieses Wesen finden, ehe es die anderen tun, sonst wird es sein sicherer Tod sein!“
Raphael nickte unbeholfen, vollkommen unfähig seinen Blick von diesem kleinen Stück des Paradieses abzuwenden.
Lilith ergriff seine Hand und fing seinen Blick ein. Sanft, fast flehend sah sie ihn an. „Wir müssen weiter!“
Wieder nickte Raphael, dann breiteten sie ihre Flügel aus und erhoben sich in die Luft.
Der dritte Kreis – Die Welt des Hasses
Eleanor schreckte schwer atmend auf. Wo war Asrael, der doch eben noch vor ihr gestanden hatte? Wo waren all die anderen gefallenen Engel, wo die Akoloythoi und William? Der gute William, der bis zuletzt an ihrer Seite gewesen war?
Unbeholfen rappelte sie sich auf. Ihr war übel und sie fühlte sich zittrig. Sie wusste sofort, dass sie nicht allein war, denn überall um sie herum war ein Wispern und Rascheln, ein Knistern, Scharren und Schnaufen zu hören. Fernes Gelächter erfüllte die Luft, kalt und diabolisch. Es hallte von Wänden wider, die sie nicht sehen konnte, doch sie spürte, dass es sie gab. Sie würden zu einem Teil ihres Lebens an diesem Ort werden, das wusste sie sofort. Wände, die sie überall umgaben und die sie nicht würde durchbrechen können.
Mit zitternden Knien erhob sie sich nun gänzlich. Sie hatte das Gefühl sich übergeben zu müssen, als ihr Körper gegen die Bewegung rebellierte. Mit zitternden Fingern legte sie eine Hand auf ihren Bauch. Sie fühlte sich innerlich dreckig und besudelt. Ganz langsam wankte sie vorwärts. Dorthin, wo ihre brennenden Augen einen rötlichen Lichtschein entdeckt zu haben glaubten. Sie bog um eine letzte Ecke, dann stand sie in einem Torbogen und blickte nach draußen. Über ihr jagten rotglühende Wolken in einem furchterregenden Tempo über den Himmel. Sie bewegten sich mit so unglaublicher Geschwindigkeit, dass Eleanor noch mehr zu zittern begann und sich vor Angst einzunässen glaubte. Die unheimlichen Wolken bedeckten den gesamten Himmel und gaben an keiner Stelle auch nur für einen winzigen Moment den Blick auf das Firmament frei. Alles war in einen rötlichen Lichtschein getaucht, den die brennenden Wolken ausstrahlten und Eleanor hätte nicht zu sagen vermocht, ob es Tag oder Nacht war.
In diesem Moment ließ ein Geräusch zu ihrer rechten sie zusammenfahren und für einen Sekundenbruchteil sah sie einen Schatten auf sich zu stürzen.
„Milady! Milady! Ich hatte schon Angst euch verloren zu haben!“
Es war William, der mit vor Angst weit aufgerissenen Augen vor ihr stand und seine Hand in ihre Schulter krallte. Er wirkte wie von Sinnen und schien nur wenig mit jenem besonnenen und zurückhaltenden Mann gemein zu haben, den Eleanor kannte.
„William! Ich bin so froh dich zu sehen!“, stieß sie hervor. „Wo sind wir hier? Was ist mit Asrael geschehen?“
William sah sich panisch um. „Wir sind nicht mehr in jenem Höllenkreis, in dem wir die Engelarmee gesehen haben.“
„Woher weißt du das?“
„Der Himmel, Milady! Der Himmel ist ganz anders. Wir sind noch tiefer in der Hölle als je
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