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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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eine geistige Sperre dagegen, weil Sie jetzt jung sind; zu jung, um es genau zu sagen; auch Sie können es sich nicht leisten, noch jünger zu werden. Sie könnten dann kein Polizist mehr sein.«
    »Sie sind voller Essen.« Schreckliche Wut packte ihn; plötzliche, schreckliche Wut. »Vielleicht wird man von der Retrozeit beeinflußt, wenn man nicht gestorben ist, vielleicht bleibt man auf einer gewissen Stufe stehen, aber es ist nicht wie bei den Toten. Wie Seb einer war. Sicher, ich gebe zu, daß er jünger wird, aber nicht Lotta. Ich kenne sie seit« – er rechnete nach – »seit fast einem Jahr. Sie ist reifer geworden.«
    Auf dem Dach landete ein Schwebewagen; Bob Lindy, Sebastian Hermes und Pater Faine kamen die Treppe herunter. »Alles in Ordnung«, sagte Sebastian, als er Tinbane sah. »Dank Dr. Sign. Er ist bei ihm – dem Altgeborenen – im Stadtkrankenhaus.« Er seufzte. »Ich bin erledigt.« Er setzte sich in einen Korbsessel und nahm einen Zigarettenstummel aus dem Aschenbecher, zündete ihn an und blies Rauch hinein. »Nun, Joe Tinbane; was macht die Arbeit? Irgendwelche neuen Unmorde?« Er lachte; alle anderen fielen ein.
    »Ich möchte mit Pater Faine über eine religiöse Frage sprechen«, sagte Tinbane. »Allein.« Er wandte sich an Pater Faine. »Können Sie mit mir hinaus zum Streifenwagen gehen? Wir können uns hineinsetzen und miteinander reden.«
    »Ja, natürlich«, stimmte Pater Faine zu; er folgte Tinbane in den Empfangsraum des Vitariums, vorbei an Cheryl Vale, die noch immer telefonierte, und hinaus auf die Straße, wo Tinbane den Streifenwagen geparkt hatte.
    Eine Weile saßen sie schweigend da. Dann fragte Pater Faine: »Geht es um Ehebruch?« Wie Seb verfügte auch er zweifellos über schwach psionische Fähigkeiten.
    »Verdammt, nein«, rief Tinbane. »Es geht um bestimmte Gedanken, die ich gehabt habe, ganz andere als früher. Sehen Sie – ich könnte von einer Situation profitieren. Aber auf Kosten anderer Menschen. Wessen Wohl ist also wichtiger? Das der anderen? Und wenn ja, warum? Warum nicht meins? Ich bin auch ein Mensch. Ich verstehe das nicht.« Er versank wieder in brütendes Schweigen. »Okay, es geht um eine Frau, aber das Problem ist nicht der Ehebruch; das Problem ist, daß ich diesem Mädchen wehtun müßte. Ich habe etwas gegen sie in der Hand, von dem ich glaube – nur glaube; ich weiß es nicht – daß ich sie damit zwingen könnte, mit mir ins Bett zu gehen.« Er fragte sich, ob Pater Faine mit seinen schwachen telepathischen Fähigkeiten in der Lage war, Lotta Hermes’ Bild in seinen Gedanken wahrzunehmen; er hoffte inbrünstig, daß es nicht der Fall war … aber der Priester war so oder so zum Schweigen verpflichtet. Trotzdem wäre es peinlich.
    »Lieben Sie sie?« fragte Pater Faine.
    Das traf ihn. Kalt. »Ja«, sagte er schließlich. Es stimmte; er liebte sie. Es war ihm nie bewußt geworden, aber es stimmte. Das also hatte ihn angetrieben; daher stammten diese verwirrenden Gedanken.
    »Ist sie verheiratet?«
    »Nein«, sagte er. Nur zur Sicherheit.
    Nach einer Weile stellte Pater Faine fest: »Aber sie liebt Sie nicht.«
    »Verdammt, nein; sie liebt ihren Mann.« Im nächsten Moment wurde ihm klar, was er gesagt hatte und wie leicht sich Pater Faine zusammenreimen konnte, warum er gesagt hatte, daß sie nicht verheiratet war; er würde wissen, daß es um Lotta ging. »Und er ist ein guter Freund von mir«, sagte er. »Ich will ihm nicht wehtun.« Aber ich liebe sie wirklich, dachte er. Und das tut weh; deshalb geht es mir so schlecht; wenn man eine Frau liebt, will man mit ihr zusammen sein, sie zur Frau oder Freundin haben. Das ist normal; eine biologische Tatsache.
    »Denken Sie daran, daß Sie mir nicht den Namen sagen
    dürfen. Ich weiß nicht, wieviel Sie über den Ritus der Beichte wissen, aber es ist obligatorisch, daß man keine Namen erwähnt.«
    »Ich beichte nicht!« Er war entrüstet. »Ich frage Sie nur nach Ihrer Meinung als Priester.« Beichtete er tatsächlich – eine Sünde? In gewisser Hinsicht, ja; er bat um Hilfe, aber ebenso bat er um Vergebung. Vergebung für das, was er gedacht hatte, für das, was er vielleicht tun würde; Vergebung für das, was er im Grunde war; dies war seine innerste Natur, dieser Teil von ihm, der Lotta Hermes begehrte und bereit war, allen Widerständen zu trotzen, um sie zu bekommen, so wie ein Lachs sich gegen die Strömung zu seinem Ziel durchkämpfte.
    »Der Mensch«, erklärte Pater Faine, »ist auf

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