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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
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nach kürzester Zeit, dann wurde er unruhig. »Regeln und Rituale«, hatte der Arzt gesagt, würden helfen.
    Ich wälzte Bücher, besuchte Seminare, tauschte mich mit anderen betroffenen Eltern aus. Die nächsten zehn Jahre lang war mein Alltag auf meinen Sohn ausgerichtet. Feste Essenszeiten, Pausen, Lernzeiten, Pausen, je einmal die Woche Ergotherapie, Judo und Gitarrenunterricht. Keine Zeit für eigene Bedürfnisse, keine Zeit, sich hängenzulassen. Keine Zeit, mich überhaupt wahrzunehmen. Unsichtbar. Je weniger ich da war, umso mehr stürzte ich mich auf die Bedürfnisse meines Umfelds. Mein Sohn brauchte mich. Mein Mann. Die Firma. Der Haushalt. Es ist schön, gebraucht zu werden. Es ist schön, gesagt zu bekommen: »Wie du das alles so hinbekommst, ich würde das nicht schaffen!« oder »Du musst ja Nerven haben wie Drahtseile.« Ich definierte mich ausschließlich über meine Aufgaben, über meine Rolle.
    Dieses »Lebensprinzip« bekam Risse, als es in meiner Ehe zu kriseln begann. Eigentlich der Klassiker. Wir waren beide so viel mit anderen Dingen beschäftigt, dass wir uns selbst, unsere Liebe aus den Augen verloren. Wolfgang war nie ein Mann großer Worte gewesen, besondere Gesten lagen ihm nicht. Nun nahm das Schweigen zwischen uns immer mehr Raum ein. Ich fühlte mich allein, zur inneren Einsamkeit kam die äußere dazu. In den vergangenen Jahren hatte ich kaum private Kontakte zu anderen Menschen gepflegt, noch nicht einmal zu meinen Geschwistern. Ich hatte mir eingeredet, dass mir nichts fehlen würde, dass ich alles hätte, was man sich nur wünschen kann. Das änderte sich durch einen Zufall.
    Eine Freundin erzählte mir von einem verwahrlosten, völlig verängstigten Pferd, das sie aus einem Bretterverschlag geholt und beim nahe gelegenen Reiterhof untergebracht habe. Dort sollte Betty das Gnadenbrot erhalten. Ob ich nicht einmal mitkommen wolle? Ich zögerte. Es war Jahre her, dass ich zum letzten Mal auf einem Pferd gesessen hatte, irgendwo auf dem Land. Andererseits, warum nicht? Das Tier zog mich magisch an. Ich hatte das Gefühl, als würde ich in mein Inneres blicken. Betty war scheu, hatte Angst vor Menschen, das Vertrauen in sie verloren. Wann immer ich etwas Zeit hatte, ging ich zu ihr in den Stall. Wolfgang spottete schon, ob ich nicht gleich mein Bettzeug mitnehmen wolle, um in Bettys Box zu übernachten. Ich genoss jede Sekunde mit ihr, es war, als würde uns etwas ganz Besonderes verbinden. Je mehr sie ihre Scheu überwand, umso stärker merkte ich, was mir fehlte. Wenn sie mir vertraute, wie konnte ich mir nicht vertrauen? Dieses Tier war so einfühlsam, spürte jede meiner Stimmungsschwankungen, stupste mich einfach an oder brachte mich mit irgendeinem Blödsinn zum Lachen. Es war eine Nähe ohne Bedingungen, ohne den Zwang, einer Rolle gerecht werden zu müssen.

Vernehmung am See
Von Tag zu Tag rannte ich und fiel
Jahr für Jahr stand ich schmerzend wieder auf,
um erneut klagend, verzweifelt zu fallen
durch Worte, die von Hoffnung sprachen.
Vergebens?
    An einem Vormittag im Jahr 2000 ging ich gedankenverloren zum Briefkasten. Mein Bruder war gerade da, wir wollten die Außenfassade unseres Hauses renovieren. Ich war in Gedanken beim Mittagessen, das ich noch kochen musste, und bei der Farbe des Anstrichs, über die wir uns noch immer nicht einig waren. Ich fischte die Post heraus – Werbung, nichts als Werbung – und warf den ganzen Schwung auf den Küchentisch. Ein Umschlag rutschte heraus und fiel auf den Boden. Bestimmt eine Rechnung. Ich bückte mich und hielt inne. Das Schreiben war an mich adressiert. Durch das Fenster des Umschlags sah ich die Anschrift der Kriminaldirektion Leipzig.
    Mit zitternden Fingern riss ich den Brief auf. Ein einfacher Formbrief, ein paar Zeilen nur, mit der Bitte, mich umgehend telefonisch mit der zuständigen Dienststelle in Verbindung zu setzen. Mehr nicht.
    Was sollte das? Wozu? Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf.
    Beim Mittagessen zeigte ich den Brief Wolfgang und meinem Bruder. Mein Mann riet mir, gar nicht darauf zu reagieren. »Lass dich da bloß nicht drauf ein, wer weiß, ob das eine Falle ist.«
    Zwei Tage rang ich mit mir, dann griff ich zum Hörer.
    Ich sprach mit einem Mann, der sehr freundlich war, und merkte, wie sehr mich dieses Schreiben aus dem Tritt gebracht hatte. Er versuchte, mich zu beruhigen, und erklärte mir, dass überraschend noch einmal Bewegung in den Fall gekommen sei. Kugler, der wegen guter Führung nach

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