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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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alles. Bloß kein Rückgrat zeigen, dann kommt man exzellent durchs Leben … Ich sag dir, was los ist: Diese Dame dort, aus Rom oder woher sie sonst kommen mag, hat nicht nur unseren oberbayerischen Saftsack in der Hand, sondern auch seine Obermacker in München. Ist ja auch kein Wunder. In Bayern herrscht die Kirche und nicht der Staat. Ein kurzer Anruf von ihr genügt, und die Herren stehen Spalier. Verstehst du? Wofür ich wahrscheinlich dreihundert Jahre bräuchte, dazu benötigt die Dame nur einen einzigen Anruf. Das nenne ich effizient.«
    »Soll das heißen …?«
    »Genau, das tut es. Wir sollen sie mit diesem verdammten Zylinder unbehelligt lassen. Und dich soll ich umgehend zur Vernehmung mitnehmen. Was auf mich wartet, mag ich mir erst gar nicht vorstellen. Wahrscheinlich hat Oberhammer den Richtblock bereits aufstellen lassen. Das war’s dann wohl.«
    Ich drehte mich zu Yasmina um.
    Sie hielt den Zylinder im Arm wie eine stolze Mutter ihr Baby. Ein Lächeln blitzte auf, und sie zeigte mir ihre Zähne, die ich viel zu lange nicht gefürchtet hatte.

X.
    Nun war ich dort, wo ich niemals enden wollte.
    Ich hatte die Nacht fest durchgeschlafen, ohne dass mich das laute Knallen der Zellentüren auf dem Gang hätte wecken können. Die erste Vernehmung am vergangenen Spätnachmittag hatte mich ebenso geschlaucht wie Oberhammer, der sich die Gelegenheit nicht hatte nehmen lassen, und natürlich Heinlein, der als ermittelnder Beamter in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden konnte. Wie ein Leierkasten wiederholte ich, was sich aus meiner Sicht zugetragen hatte, obwohl ich wusste, dass es nichts an den Vorwürfen ändern würde und dass die Kollegen nach Beweislage entscheiden mussten. Die von Oberhammer genüsslich formulierten Vorhaltungen, dass ich der Mörder Nikolas war, und mein stetes und vehementes Verneinen waren Teil des Spieles. Nur dieses Mal saß ich auf der anderen Seite, und mein Kopf würde rollen und nicht der eines Unbekannten.
    Für Heinlein hatte der gestrige Tag weit weniger schlimm geendet als für mich. Pia wurde auf Anordnung Oberhammers hinzugezogen und nach dem ordnungsgemäßen Verlauf der Untersuchungen befragt. Sie hatte Heinleins Version gestützt und ihn gegen die Attacken Oberhammers vorerst in Sicherheit gebracht. Gentests und Blutuntersuchungen dauerten nun einmal ihre Zeit. Niemand wagte ihre Ausführungen anzuzweifeln.
    Nur für mich sah die Zukunft düster aus. Ich war eingesperrt und wartete auf die Vorführung beim Ermittlungsrichter. Er würde, wie in jedem anderen Fall auch, auf Basis der Ergebnisse meines Kollegen Heinlein und des gerichtsmedizinischen Gutachtens Pias sein Urteil fällen. Und das hieß ohne Zweifel: Inhaftierung aufgrund dringenden Tatverdachts in Sachen Pater Nikola. Was für ein Wahnsinn.
    Heinlein hatte mich ohne ein Wort zu verlieren zu meiner Zelle gebracht. Ich sah es ihm an, wie verzweifelt er seiner Pflicht nachgekommen war. Ich wähnte in seinen Augen Scham, die ich ihm mit einem letzten aufmunternden Klaps auf die Schulter nehmen wollte. Ebenso wie ich quälte er sich ein Lächeln ins Gesicht.
    Pia wirkte wie ein Häufchen Elend, als sie noch einen Blick von mir auf dem Weg zum Zellentrakt erhaschte. Sie winkte mir verstohlen zu und senkte gleich darauf den Kopf, damit ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. Gott sei Dank hatte sie sich einigermaßen in der Gewalt, sodass sie sich bei den Kollegen nicht mit ihren Tränen blamierte.
    Die Zellentür war hinter meinem Rücken ins Schloss gefallen, und ich legte mich auf die Pritsche. Dann wurde es sehr schnell dunkel um mich.
    Das Klirren eines weit entfernten Schlüsselbundes, das Klakken des eingerasteten Zylinders und das Quietschen einer sich öffnenden Tür weckten mich. »Besuch, Kilian«, dröhnte es über mir.
    Ich rappelte mich müde hoch, ohne aufzublicken, setzte mich auf den Rand der Pritsche und stützte meinen schweren Kopf auf beide Hände. Mein Besuch nahm wortlos auf dem einzigen Stuhl vor mir Platz. Ich erkannte gepflegte schwarze Schuhe, schwarze Strümpfe und Hosenbeine, und als mein Blick zwischen den Reverskragen das goldene Kreuz an einer Kette erspähte, durchfuhr mich der Schrecken. Ein Reflex in mir wollte nach dem Wachmann rufen, um den Mörder Nikolas dingfest zu machen.
    »Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie überrascht sind«, sagte Mayfarth und drückte seine Hand auf meine Schulter. »Aber wir müssen jetzt einen kühlen Kopf bewahren, um diesem Spuk ein Ende zu

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