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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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regte
sie nicht weiter auf. Lüsterne Anwandlungen wurden im Lager
der Mazedonier nur allzu leicht gestillt. Josh beobachtete sie
natürlich, so wie immer – aber in jungenhafter
Heimlichkeit, und wenn sie ihn dabei ertappte, zog er den Kopf
ein und wurde rot. Sie wusch ihre Kleider und legte sie zum
Trocknen aus.
    Als sie mit allem fertig war, hatten die Mazedonier bereits
ein Lagerfeuer gemacht. Bisesa legte sich nahe an den Flammen auf
den Boden, deckte sich mit dem Poncho zu und schob sich ihren
Tornister als Kissen unter den Kopf. Josh manövrierte sich
so dicht an sie heran, wie es nur ging, und setzte sich in einer
Position hin, die es ihm erlaubte, sie anzustarren, wenn er
dachte, niemand würde hersehen. Aber hinter seinem
Rücken warfen Ruddy und Abdikadir einander abwechselnd
spöttisch Kusshändchen zu.
    Ruddy begann umgehend mit dem Redeschwingen, wie immer.
»Wir sind so wenige; wir haben nunmehr einen weiten
Landstrich der neuen Welt zu Gesicht bekommen, von Jamrud bis an
die Küsten Arabiens. Menschen sind hier jedoch dünn
gesät, und denkende Menschen noch dünner. Wir
betrachten die Leere des Landes als einen Mangel. Ich finde
jedoch, wir sollten sie als eine Chance sehen, die sich uns
bietet!«
    »Worauf willst du hinaus, Professor?«, murmelte
Josh.
    Ruddy Kipling nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen;
sie sahen klein und tief liegend aus. »Unser britisches
Weltreich ist dahin, es hat sich aufgelöst wie ein
Siegerblatt, wenn die Karten neu gemischt werden. Stattdessen
haben wir das hier – Mir, eine neue Welt, eine
jungfräuliche Leinwand. Und wir, die wir so herzlich wenige
sind, wir könnten möglicherweise die einzige Quelle von
Vernunftbegabung, Wissenschaft und Zivilisation sein, die auf
dieser Welt noch existiert!«
    Abdikadir lächelte. »Ganz recht, Ruddy, aber es
gibt nicht mehr viele Engländer hier auf Mir, die aus diesem
Traum Realität machen könnten.«
    »Der Engländer war doch immer schon eine Mischung
verschiedenster Ingredienzien – was ja nichts Schlechtes
ist. Er ist die Summe der Einflüsse, denen er im Laufe der
Geschichte ausgesetzt war, von der steifen Machtausübung der
Römer bis zur ungezügelten Intelligenz der Demokratie.
Nun denn, so müssen wir darangehen, ein neues England zu
bauen – und neue Engländer zu schaffen –, und
zwar auf der Stelle, hier im Sand von Arabien. Und wir
können unseren neuen Staat von Anfang an auf solide
englische Prinzipien gründen: Jedermann ist absolut
unabhängig, so lange er nicht die Rechte seines
Nächsten beschneidet; umgehende und für alle geltende
Gerechtigkeit vor Gott; Toleranz gegenüber Religionen und
Weltanschauungen jeglicher Art und Form; das Heim jedes Menschen
ist sein unantastbares Refugium. Solche Dinge. Es ist eine gute
Gelegenheit, sich von allerlei Überflüssigem zu
trennen.«
    »Das klingt ja alles wunderbar«, sagte Abdikadir.
»Und wer soll das neue Weltreich führen? Sollen wir
das Alexander überlassen?«
    Ruddy lachte auf. »Für seine Zeit hat Alexander
zwar Großartiges erreicht, aber er ist ein
Militärdespot – schlimmer noch, ein eisenzeitlicher
Barbar! Wir alle waren drüben an der Küste Zeuge dieses
Schauspiels einer schrillen Götzenverehrung. Vielleicht
schlummern irgendwo unter seiner Rüstung sogar die richtigen
Instinkte – schließlich hat er ja auch seine Griechen
mitgeschleppt –, aber er ist nicht der rechte Mann.
Für den Augenblick müssen wir zivilisierte Menschen die
Führung übernehmen. Wir sind zwar nur wenige, aber wir
haben die Waffen!« Ruddy legte sich zurück, den
Arm unter dem Kopf, und schloss die Augen. »Ich sehe es
schon vor mir. Die Schmiedehämmer werden erklingen! Das
Schwert wird Frieden bringen – und Frieden wird Reichtum
bringen – und Reichtum wird das Gesetz bringen! Es ist so
naturgegeben wie das Heranwachsen einer kräftigen Eiche. Und wir, die wir das alles zuvor bereits gesehen haben, werden
da sein, um den Schössling zu wässern!«
    Er hatte die Absicht, die anderen zu inspirieren, aber seine
Worte erschienen Bisesa hohl; das Lager hier war nichts als ein
kleiner, isolierter Ort, ein winziger Lichtpunkt in einem Land,
in dem es nicht einmal mehr Geister gab.
    Am nächsten Tag, auf dem Rückweg, erkrankte Ruddy an
einer heftigen Darminfektion. Bisesa und Abdikadir griffen in
ihre Erste-Hilfe-Kästen mit den Medikamenten des
einundzwanzigsten Jahrhunderts, um ihm

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