Die Zeit-Odyssee
Plastikbehälter mit den
kleinen Überlebensgeräten wurden aufgeklappt und
genauestens in Augenschein genommen.
Dann erlaubte McKnight ihnen, sich wieder anzukleiden, und sie
erhielten den Großteil ihrer Sachen zurück – mit
Ausnahme des Messers und, wie Bisesa amüsiert feststellte,
der beiden Kaugummipäckchen .
Und dann ließ Hauptmann Grove, der Festungskommandant,
sie überraschenderweise schlicht warten.
Sie saßen nebeneinander auf einer harten Holzbank in
seinem Büro; ein Soldat stand mit schussbereitem Gewehr
Wache an der für. Im Büro des Hauptmannes herrschte ein
Hauch von Eleganz, ja sogar Luxus. Die Wände waren sauber
geweißt, und auf dem Holzboden lagen geflochtene
Binsenmatten. An einer Wand hing ein kleiner Kaschmirteppich. Es
war ganz offensichtlich das Büro eines hart arbeitenden
Mannes, denn auf dem großen hölzernen Schreibtisch
stapelten sich Papiere und Aktenordner aus Karton neben einer
Schreibfeder in einem Tintenfass. Eine persönliche Note
erhielt der Raum durch die Poloausrüstung neben dem
Schreibtisch und die große alte Standuhr, die melancholisch
vor sich hin tickte. Aber es gab kein elektrisches Licht; nur
Öllampen hellten das schwindende Tageslicht auf, das durch
das einzelne kleine Fenster drang.
Bisesa fühlte sich beinahe genötigt zu
flüstern: »Es ist wie in einem Museum! Wo sind die
Bildschirme, die Funkgeräte, die Telefone? Hier gibt es nur
Papier, sonst nichts!«
»Und doch haben sie ein Weltreich regiert«, sagte
Abdikadir und nickte. »Mit Papier.«
Sie starrte ihn an. »Sie? Wo, denkst du denn,
dass wir sind?«
»In Jamrud«, antwortete er ohne Zögern,
»einer Festung aus dem neunzehnten Jahrhundert, erbaut von
den Sikhs, weitergeführt von den Briten.«
»Warst du schon mal hier?«
»Ich habe Bilder davon gesehen. Ich habe mich sogar
für die lokale Geschichte interessiert –
schließlich stamme ich aus der Gegend. Aber die Fotos in
den Büchern zeigen das Fort nur als Ruine.«
Bisesa runzelte die Stirn; so ganz erfasste sie die Sache noch
nicht. »Nun, jetzt ist es aber keine Ruine.«
»Ihre Uniformen«, murmelte Abdikadir. »Hast
du es nicht bemerkt? Wickelgamaschen und lederne Koppeln mit
Schulterriemen! Und die Waffen! Die Gewehre sind
einschüssige Hinterlader, Martini-Henrys und Sniders! Schon wirklich lange veraltet! Die Dinger wurden zum letzten Mal
verwendet, als die Briten im neunzehnten Jahrhundert hier waren,
und selbst damals wechselten sie über zu Lee Metfords,
Gatlings und Maxims, sobald diese zu bekommen waren!«
»Und wann war das?«
Abdikadir zog die Schultern hoch. »Kann ich nicht genau
sagen. In den achtziger Jahren etwa.«
»Des neunzehnten Jahrhunderts?«
»Hast du schon den Notfunk versucht?« In die Gurte
unter ihren Uniformjacken waren sowohl Peilsender als auch
Miniaturfunkgeräte für den Notfall eingenäht, die
McKnight, dem Himmel sei Dank, nicht entdeckt hatte.
»Nichts zu machen. Und das Telefon ist auch von der Welt
abgeschnitten. Hat sich nichts geändert zu vorhin, als wir
noch in der Luft waren.« Es fröstelte sie ein wenig.
»Niemand weiß, wo wir sind oder wo wir die
Bruchlandung gemacht haben. Oder ob wir überhaupt noch am
Leben sind.« Sie wusste, es war nicht nur die Bruchlandung,
die ihr so zusetzte, sondern das Gefühl, den Kontakt
verloren zu haben – abgeschnitten zu sein von der
Wärme einer vernetzten Welt, in die sie seit ihrer Geburt
eingebettet war. Für einen Menschen des einundzwanzigsten
Jahrhunderts bedeutete dies ein einzigartiges Gefühl von
Desorientierung und Isolation.
Abdikadirs Hand legte sich über die ihre, und Bisesa war
dankbar für diese menschliche Zuwendung. Er sagte:
»Sie werden demnächst Such- und Rettungseinsätze
starten. Der Vogel am Boden ist eine gut sichtbare Markierung.
Obwohl es schon dunkel wird draußen.«
Irgendwie hatte sie diesen Teil der Merkwürdigkeiten
glatt vergessen. »Es ist doch viel zu früh, um dunkel
zu werden.«
»Finde ich auch. Ich weiß nicht, wie es dir geht,
aber ich spüre einen gewissen Jetlag…«
Begleitet von einer Ordonnanz wuselte Hauptmann Grove ins
Zimmer, und Bisesa und Abdikadir standen auf. Grove war ein
kleiner, leicht übergewichtiger, gestresst wirkender
Offizier von etwa vierzig Jahren. Er trug eine Khakiuniform.
Bisesa bemerkte den Staub auf seinen Stiefeln und den
Wickelgamaschen: Dies war ein Mann, der den Job wichtiger nahm
als sein Äußeres. Dennoch
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