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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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las die Ziffern laut
vor: »Acht – sechs – zwei – null
– drei – sieben…«
    »Das ist das Datum«, sagte Abdikadir.
    Ruddy runzelte die Stirn und überlegte rasch. »Ein
Datum im einundzwanzigsten Jahrhundert?«
    »Ja.«
    Ruddy trat an Hauptmann Groves Schreibtisch und kramte in
einem Stapel Papiere dort. »Ich bitte um Verzeihung, Herr
Hauptmann.« Selbst der befehlsgewohnte Grove schien Ruddys
Entschlossenheit ausgeliefert zu sein; ratlos warf er die Arme in
die Luft, während Ruddy eine Zeitung unter einem Stapel
hervorzog. »Zwei Tage alt, aber das reicht.« Er hielt
sie Bisesa und Abdikadir unter die Nase. Es war ein dünnes
Blättchen namens Civil and Military Gazette and
Pioneer. »Sehen Sie das Datum?«
    Es war ein Tag im März 1885. Das Schweigen, das folgte,
war lange und wie erstarrt.
    Dann sagte Grove energisch: »Ich denke, wir könnten
jetzt alle eine Tasse Tee vertragen.«
    »Nein!« Der andere junge Mann, Josh White, schien
plötzlich sehr aufgeregt. »Verzeihung, Sir, aber jetzt
wird einiges klar – meine ich! Oh, es passt genau dazu, es
fügt sich alles ineinander!«
    »Gemach, gemach, junger Mann!«, mahnte Groves.
»Was quasseln Sie da?«
    »Der Affenmensch«, sagte White. »Vergessen
Sie die Tasse Tee – wir müssen ihnen den Affenmenschen
zeigen!«
    Und so marschierten sie alle – Bisesa und Abdikadir
weiterhin unter Bewachung – hinaus aus dem Fort.
     
    Sie kamen zu einer Art Außenlager etwa hundert Meter von
der Festungsmauer entfernt, wo man ein kegelförmiges Zelt
aus grobmaschigem Netzwerk errichtet hatte. Ein Grüppchen
Soldaten, die scheußlich stinkende Zigaretten rauchten,
stand tatenlos in der Nähe des Netzes herum. Mit der
gewohnten Mischung von Neugier und Lüsternheit starrten die
mageren, dreckigen Männer mit dem kurz geschorenen
Nackenhaar Bisesa und Abdikadir entgegen.
    Unter dem Netzwerk war eine Bewegung auszumachen. Bisesa sah
etwas Lebendiges, ein dunkles Tier vielleicht – aber die
untergehende Sonne stand bereits am Horizont, und ihre Strahlen
waren zu schwach, die Schatten schon zu lang, um viel zu
erkennen.
    Auf Whites Befehl hin wurde das Netz weggezogen. Bisesa
erwartete, darunter eine Stange zu sehen, von der das Netzzelt
gestützt wurde, stattdessen war es eine silberne, offenbar
frei in der Luft schwebende Kugel, die es hoch gehalten hatte.
Keinem der Anwesenden war die Kugel einen zweiten Blick wert.
    Abdikadir trat näher heran, betrachtete mit
zusammengekniffenen Augen sein Spiegelbild in der schwebenden
Kugel und ließ die flache Hand darunter hin und her
wandern. Da war nichts, was die Kugel oben hielt. »Also
eines weiß ich«, sagte er zu Bisesa, »an jedem
anderen Tag würde mir das merkwürdig
vorkommen.«
    Bisesa blickte fasziniert dieses schwebende Unding an, das ihr
Gesicht verzerrt reflektierte. Das ist der
Schlüssel!, fuhr es ihr unvermittelt durch den Kopf.
    Josh berührte sie am Arm. »Bisesa, fühlen Sie
sich nicht wohl?«
    Sein Akzent, der in ihren Ohren nach Bostoner Arroganz und
Kennedy-Ära klang, irritierte sie, aber sein
Gesichtsausdruck verriet ehrliche Besorgnis. Sie lachte
sarkastisch auf. »Unter diesen Umständen könnte
ich mich gar nicht besser fühlen.«
    »Sie versäumen die ganze Schau…!« Er
sprach von den Lebewesen auf dem Boden, und Bisesa riss sich von
der silbernen Kugel los.
    Erst dachte sie, es wären einfach Schimpansen, nur
leichter, graziler gebaut. Bonobos vermutlich. Einer war klein,
der andere deutlich größer. Der größere
hielt den kleineren im Arm. Auf eine Handbewegung von Grove
traten zwei Rekruten vor und rissen das Kleine an sich, ehe sie
die Mutter an Hand- und Fußgelenken packten und auf dem
Boden ausstreckten. Das Wesen trat um sich und spuckte.
    Der »Schimpanse« war ein weiblicher
Zweibeiner.
    »Du heilige Scheiße«, murmelte Bisesa,
»meinst du, das ist ein Australopithecine?«
    »Eine Lucy, ja«, murmelte Abdikadir. »Aber
die Pithecinen sind ausgestorben seit… wann? Seit einer
Million Jahren?«
    »Ist es möglich, dass eine einzelne Horde irgendwo
in der Wildnis überlebt hat? In den Bergen
vielleicht…?«
    Er sah sie an, seine Augen tiefe, dunkle Brunnen. »Das
glaubst du doch selbst nicht.«
    »Nein, du hast Recht.«
    »Sehen Sie!«, schrie White aufgeregt. »Das
ist der Affen-Mensch! Was kann das anderes bedeuten als eine
weitere… Zeitversetzung.«
    Bisesa trat vor und blickte in die beklemmenden Augen des

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