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Die Zeitbestie

Titel: Die Zeitbestie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
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ihr zu wenden. Nachdem sie den Mantel entgegengenommen und die Arme hineingesteckt hatte und dichter an den Ofen getreten war, brach der Bann.
    »Man hat dich aus einem der MG-Nester entdeckt. Wie bist du im Meer gelandet?«, fragte der Rothaarige.
    »Toby, stell den verdammten Kessel an!«, ertönte ein Schrei von oben und verschaffte ihr so die Zeit, über eine plausible Antwort nachzudenken. Toby, der Rothaarige, trat an eine Kiste heran, die als Tisch diente und übersät war mit Tassen, allem Zubehör fürs Teekochen und zwei überquellenden Aschenbechern. Er nahm eine große Teekanne zur Hand und goss den restlichen Inhalt in einen danebenstehenden Eimer, der, nach dem Geruch zu urteilen, auch einem weniger hygienischen Zweck diente. Dann löffelte er losen Tee in die Kanne. Der andere Soldat nahm derweil seine Sten von der Schulter, setzte sich auf eine der unteren Stufen und lehnte sich die Waffe ans Knie. Er holte eine Packung Woodbines aus der Tasche des Uniformhemds, klopfte eine Zigarette heraus und zündete sie an.
    Nicht allzu clever: ein Ölofen und Zigaretten hier unten. Man sollte eigentlich denken, dass sie etwas vorsichtiger wären in Anbetracht ihrer Ladung. Aber andererseits vermute ich, dass man nach einiger Zeit in solchen Dingen abstumpft.
    Polly hätte nur zu gern gewusst, wovon Nandru eigentlich redete. Sie musterte die überall aufgestapelten Kisten und las Aufschriften wie ›Corned Beef‹ und in einem Fall ›Sardinen‹. An einer Seite entdeckte sie aufgestapelte Säcke, in denen sie Kartoffeln vermutete.
    Links von dir.
    Polly blickte hinüber und fragte sich, ob Nandru ihren Gedanken viel näher war, als ihr gefiel. Sie entdeckte einen Stapel Metallkisten, die mit Stricken an Haken gesichert waren und teilweise mit einer Segeltuchplane abgedeckt. An einer davon las sie in weißen Buchstaben die Aufschrift: ›3.7 Inch AA‹, die ihr jedoch nichts sagte.
    Sieht nach einer beschissenen Fuhre Munition aus.
    »Also, was ist nun mit dir passiert?«, fragte der mit der Sten-MP, schüttelte das Streichholz aus und zertrat es mit dem Schuh.
    Ich habe darüber nachgedacht, und es gibt da keine einfache Geschichte zu erzählen. Sag einfach, du hättest Streit mit deinem Freund gehabt oder so was, und er hätte dich aus dem Boot geworfen.
    »Wie heißt du?«, fragte Polly den jungen Mann.
    »Dave«, antwortete er und verlagerte seine Sten-MP in eine bequemere Position. »Das ist Toby, und der Kapitän da oben heißt Frank. Und du?«
    »Polly.«
    Dave starrte sie weiter an und wartete offenkundig immer noch auf eine Antwort auf seine frühere Frage.
    Polly sagte: »Nandru … mein Freund … er ist gestorben, und ich wollte mich ihm anschließen.«
    Der Kessel, den Toby gerade aus einem Kanister gefüllt hatte, landete scheppernd auf der Gusseisenfläche des Ofens. Toby starrte Polly mit offenem Mund an und wusste nicht, was er sagen sollte.
    »Ein Gurkha?«, fragte Dave. Polly hielt es für ungefährlich, das zu bejahen.
    »Dann ist er im Kampf gefallen, wenn ich es richtig verstehe?«
    »Ja«, sagte Polly. »Ich denke, das ist er.«
    Oh, sehr witzig! Jetzt werden sie dich fragen, wo und wann ich gefallen bin, und wir kennen nicht mal das verdammte Datum von heute!
    »Und wo hat es ihn erwischt?«, wollte Dave wissen.
    »Er ist … in der Wüste gefallen. Sie sagten, er wäre gestorben, während er seine Pflicht tat.«
    Dave starrte sie einen Augenblick lang an. »Er war bei Monty?«
    Polly nickte benommen.
    Ach Scheiße, ja! Sag ihnen, es hätte mich bei El Alamein erwischt.
    »Ja, bei El Alamein«, setzte sie hinzu.
    »Yeah, nun, dieser Rommel war ein durchtriebener Schweinehund, aber die Mistkerle liegen inzwischen in den letzten Zügen«, sagte Dave. Er deutete mit der Zigarette zur Decke, und sie alle schwiegen eine Zeit lang und lauschten dem fernen Geschützfeuer. »Wahrscheinlich probieren sie wieder mal, Marconi zu erwischen. Das ist eine Sache, die sie noch nicht aufgegeben haben«, schloss er.
    Polly wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie hatte den Namen Marconi einmal gehört, erinnerte sich aber nicht mehr, in welchem Zusammenhang. Dave betrachtete sie einen Augenblick lang, holte dann seine Zigarettenschachtel hervor und hielt sie ihr hin. Polly kam näher, nahm sich eine und bückte sich dann, um sie an dem Streichholz anzuzünden, das er für sie anriss und mit der Hand abschirmte. Sie nahm einen Zug und fand, dass es nach nichts anderem schmeckte als brennendem Papier

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