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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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rannte dann auf das Dach der Kajüte. Er griff sich das Steuerrad und versuchte, den Seelensammler auf Kurs zu bringen.
    »Das können die sich sparen!«, spottete einer der Soldaten. »Gegen die Sirius kommen sie niemals an. Diese alte Barke hat gegen unser Flaggschiff nicht die geringste Chance.«
    Und tatsächlich: Schon gab die Sirius donnernd ihren nächsten Kanonenschuss ab, die Kugel flog in hohem Bogen über das Meer und traf den Seelensammler am hinteren Mast. Das Holz zerbrach und splitterte wie jahrhundertealte Knochen. Die Wucht des Aufpralls ließ das Schiff bedrohlich schwanken. Die Krähen stoben auf. Der Mast neigte sich langsam zur Seite, bevor er laut krachend auf die Bordwand fiel. Moon sprang blitzschnellzur Seite und rettete sich so gerade noch rechtzeitig vor den niederprasselnden Rahen.
    Der Seelensammler verlor nun alle Fahrt. Er war bereits so weit zur Seite geneigt, dass die Wellen schon über die Reling schwappten.
    Die Sirius ließ eines ihrer Beiboote bereits mit Soldaten besetzen.
    »Nein!«, schrie Simon auf. »Nicht!«
    »Schnauze, Junge«, wurde er von hinten angebrüllt. »Du bekommst noch genug Gelegenheit zu schreien. Wenn das hier vorüber ist, sorge ich schon dafür!«
    Simon warf dem breit grinsenden Anführer nur einen abfälligen Blick zu. Dann blickte er wieder zu dem kleinen Ruderboot hinüber. Zu gern hätte er die britische Mannschaft gewarnt.
    Moon, Neferti und Nin-Si standen hilflos an Deck des Seelensammlers. Auch sie sahen das Boot auf sich zukommen. Doch sie schenkten ihm kaum Beachtung. Stattdessen riefen sie Simon und Salomon etwas zu – vergeblich: Die beiden konnten kein Wort verstehen, sosehr sie sich auch anstrengten.
    Das Boot der Briten rückte näher an den Seelensammler heran.
    Jetzt, dachte Simon verzweifelt. Jetzt haben sie gleich die Stelle erreicht, an der sich der Strudel auftun wird. Jetzt musste er den schrecklich Tod der Ruderer ein zweites Mal miterleben.
    Doch nichts geschah. Simon staunte. Er war sich sicher, dass die Briten die Stelle längst passiert hatten, an der sich bei seinem letzten Besuch das Meer aufgetan hatte.
    Und da erst verstand er. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als ihm klarwurde, was dort vor seinen Augen geschah: Der Schattengreiferhatte sich geschlagen geben müssen. Der Aborigine wurde dieses Mal nicht von den Zeitenkriegern zum Schiff gebracht. Stattdessen hatte der Schattengreifer den Australier aufgeben müssen und war entrüstet verschwunden. Wohin auch immer. Er befand sich nicht an Deck. Und deshalb würde es auch keinen Zauber geben. Und kein Sterben. Die Briten würden zum Seelensammler rudern, die drei Zeitenkrieger dort gefangen nehmen und an Land bringen. Dann konnten sie alle fünf gemeinsam überlegen, wie es weitergehen sollte. Hauptsache war, dass es nun keine weiteren Toten mehr geben würde und dass …
    Plötzlich ging etwas mit dem Seelensammler vor sich. Moon, Neferti und Nin-Si schrien sich beinahe die Seele aus dem Leib. Sie winkten wie wild ihren beiden Freunden an Land zu. Simon glaubte, aus ihrem Geschrei das Wort »Sand« herauszuhören. Und in diesem Moment verstand er. Ihre Zeit in der Sanduhr musste abgelaufen sein.
    Wie von Geisterhand bewegt, richtete sich der Seelensammler auf. Das Wasser um ihn herum geriet in Bewegung, immer stärkere Wellen hoben und senkten das Schiff.
    Die Briten in ihrem Ruderboot hielten erst inne, aber dann wendeten sie das Boot und versuchten zu fliehen. Doch zu spät. Die Wand aus Wasser, die am Heck des Seelensammlers aus dem Meer herausschoss, erfasste das Ruderboot und schleuderte es davon. Die Soldaten stürzten ins Meer.
    Gleichzeitig baute sich eine zweite Wand vor dem Seelensammler auf. Über dem Schiff formierten sich graue Wolken aus dem Nichts.
    In Sekundenschnelle breiteten sie sich aus, bis mächtige Blitze um das Schiff zuckten.
    »Was geht hier vor?« Aber die Frage des Siedlers ging unter in dem Lärm des aufkommenden Sturmes. Tosend brauste er über das Wasser, bis hin zum Ufer der Bucht.
    Weitere Blitze zuckten auf, Nebel umhüllte das Schiff und mit einem Mal ergossen sich die beiden Wände über den Seelensammler und schienen ihn im Meer zu versenken.
    Doch Simon wusste es besser. Der Seelensammler war nicht untergegangen. Das Meer hatte ihn nicht geschluckt.
    Die Zeit war abgelaufen. Das letzte Sandkorn im Inneren der Zeitmaschine war durch das Glas gefallen und der Seelensammler hatte seine Reise zurück angetreten. Zurück in die Dimension des

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