Die Zeitreisenden in Callahans Saloon
Weg.
Unterwegs befaßten wir uns abwechselnd mit den zunehmenden Unannehmlichkeiten, die ein Land namens Vietnam verursachte, und mit der Frage, ob wir uns an der Ost- oder der Westküste niederlassen sollten. Wir spielten beide schlecht und dilettantisch Theater, und die Entscheidung wurde vertagt.
Als ich Corinne kennenlernte, war ich über die geringe Ähnlichkeit mit ihrer Schwester verblüfft. Marys Haar war beinahe schokoladenbraun, das von Corinne hingegen leuchtend rot. Marys Gesicht war rund, das von Corinne breit, mit vorstehenden Backenknochen. Mary war klein und rundlich, Corinne hochgewachsen und schlank. Sie waren beide sehr, sehr schön, doch die einzige Eigenschaft, über die beide verfügten, war eine tiefe Gläubigkeit, die nichts mit Vererbung zu tun hatte, und die genausogut zu Corinnes leidenschaftlicher Zielstrebigkeit wie zu Marys ruhiger Sicherheit paßte.
Es stellte sich heraus, daß Pasala der typische mittelamerikanische Operettenstaat war und von einem Möchtegern-Tyrannen namens De Villega regiert wurde. Das Krankenhaus, in dem Corinne arbeitete, lag an der Plaza del Palacio, genau dem Regierungspalast gegenüber. De Villega hatte sich ein riesiges Mausoleum bauen lassen, das an ein Schloß erinnerte – und zwar gleichzeitig mit dem Krankenhaus; das Geld für beide stammte aus den gleichen Quellen. Pasala exportiert nämlich Mais, Zuckerrohr, viel Mahagoni – und Erdöl.
Als Corinne mit uns am Palast vorbeifuhr, machte ich eine Bemerkung über die zahlreichen schwerbewaffneten, von einem comisario befehligten guardias, die in Gruppen von je fünf Mann zusammenstanden und mit entsicherten Gewehren jeden Eingang zu dem riesigen Gebäudekomplex bewachten. Corinne erzählte uns, daß aus den Hügeln im Norden eine Revolution drohte; ihr Anführer war ein gewisser Miranda, der sich zwangsläufig El Supremo nannte. Mary und ich brüllten vor Lachen über diese Pointe und wollten jemanden sehen, der Siesta hielt.
Todernst führte uns Corinne hinter das Krankenhaus, wo drei von Maultieren gezogene Wagen mit in Khaki gekleideten Leichen gefüllt waren, die eine Siesta ohne Ende hielten. »Man kann mit den Problemen Pasalas nicht fertig werden, indem man auf einen anderen Kanal schaltet, Tom«, stellte sie nüchtern fest, und anstelle meines Entsetzens trat Schuldbewußtsein und die sehnsüchtige Vision von Boulder Colorado im Frühling – wodurch natürlich mein Schuldbewußtsein zunahm.
Wir aßen an diesem Abend in der mißglückten Nachahmung eines Cafés, aber das Essen war genießbar und die Musik überraschend gut. Da die beiden Frauen einander jahrelang nicht gesehen hatten, war ich nicht darüber erstaunt, daß ihnen der Gesprächsstoff nicht ausging. Und es ging immer wieder um El Supremo.
»Angeblich vertritt er die gerechte Sache«, erzählte uns Corinne beim Kaffee, »und ich kann diese Behauptung nicht widerlegen. Aber im Krankenhaus häufen sich die Nebenprodukte seiner Sache, und ich habe genug von Revolutionen. Seit Villega Mirandas Bruder erschießen ließ, ist es schlimmer denn je zuvor.«
»Mein Gott, wie ist es denn dazu gekommen?« fragte ich.
»Pablo Miranda war der Besitzer dieses Cafés und hatte nie etwas mit der Revolution zu tun. Eine Menge militanter Typen pflegten sogar in einem viel schäbigeren Lokal am anderen Ende der Stadt zu trinken, nur um Pablo durch ihre Anwesenheit keine Schwierigkeiten zu bereiten. Doch nachdem El Supremo das Arsenal gesprengt hatte, spielte de Villega ein bißchen verrückt. Ein Trupp guardias stürmte zur Tür herein und erledigte Pablo.
Seither haben sich die Ereignisse überschlagen. Die Menschen haben Angst, nachts auf die Straße zu gehen, und De Villegas Schlägertrupps machen Überstunden. Angeblich führt er aus den Vereinigten Staaten Lastwagen/Kanonen und eine Menge Munition für eine Säuberungsexpedition ein, und in der amerikanischen Botschaft verliert kein Mensch ein Wort darüber.«
»Was für ein Herrscher ist Villega?« erkundigte sich Mary.
»Ein Halsabschneider. Er plündert die Peones aus, sahnt überall ab, wo es geht, und für das Land wäre es bestimmt besser, wenn er nie geboren wäre. Aber auch über El Supremo sind widersprüchliche Gerüchte im Umlauf: angeblich ist auch er ein Schlächter. Und natürlich ist er Kommunist, obwohl Gott allein weiß, was das heutzutage in Mittelamerika bedeutet.«
Ich setzte zu einer Antwort an, als vor dem Café ohrenbetäubender Lärm ausbrach. Gläser fielen von
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