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Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spider Robinson
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befand mich am Ort des ersten Bebens in Suffolk County auf Long Island im Staat New York in den USA und habe mir meine eigene Meinung gebildet.
    Wenn Sie das Buch bis jetzt aufmerksam gele
    sen haben, wissen Sie vielleicht, was für ein Zirkus Callahans Saloon an einem gewöhnlichen Abend sein kann. Und ich kann Ihnen versichern, daß sich das Lokal an Feiertagen wie Weihnachten und Silvester zu etwas Atemberaubenden steigert. Alle Hemmungen fallen, der Unsinn regiert, und die Kneipe sieht aus wie eine Kreuzung zwischen einem Kongreß von Größenwahnsinnigen und einem Irrenhaus, das von den Marx Brothers geleitet wird.
    Vielleicht überraschte es uns deshalb nicht weiter, daß sich das erste Beben am Halloween-Abend verdammt nahe bei Callahans Saloon ereignete. An keinem anderen Abend hätte es sich so auswirken können.
    Ich hatte das Lokal noch nie so voll erlebt, und ich treibe mich seit etlichen Jahren bei Callahan herum. Außer den üblichen Stammgästen und Fast-Stammgästen waren Horden von Oldtimern und Ex-Stammgästen anwesend, die ich zum Teil nur dem Namen nach und zum Teil überhaupt nicht kannte. Wie ich Ihnen ja schon ein paarmal erläutert habe, haben viele von Callahans Kunden nicht mehr das Bedürfnis zu trinken, wenn sie lange genug hierher gekommen sind. Und in unserer verrückten Zeit gibt es nur wenige Menschen, die sich vernünftige Mengen Äthanol um seiner selbst willen einverleiben. Deshalb hören sie auf, in die Kneipe zu kommen, oder widmen sich mehr ihren Familien oder übersiedeln einfach irgendwohin – aber Feiertage ziehen sie magisch an, wie der Hühnerstall die Hühner, wenn die Sonne untergeht.
    Callahan hatte deshalb schon um neun Uhr die zerbrochenen Gläser aus dem Kamin fegen müssen, um Platz für die nächsten Wurfsendungen zu schaffen, so daß Tom Hauptman allein hinter der Theke stand; und dabei strömten immer noch mehr Gäste herein.
    Beinahe jeder hatte sich verkleidet, so daß in der Bar, die ohnehin nie normal ausgesehen hatte, eine geradezu surreale Atmosphäre herrschte. Vier Kerle in Gorillakostümen spielten in einer Ecke Poker, fünf oder sechs Gespenster in weißen Laken drängten sich durch die Menge, und siebzehn bunt gemischte Monster und kleine grüne Männchen waren zwanglos im Raum verteilt. Zu meiner Freude hatte Eddie aufgehört zu trauern und seinen Kummer begraben; er war mit schwarzgefärbtem Gesicht und dem schlampigsten Anzug erschienen, den ich je gesehen hatte, und hatte verkündet: »Ich bin Scott Joplin.« Doc Webster war als Hippokrates verkleidet und sofort »Hippo-Krater« getauft worden; Longdrink McGonnigel trug einen alten Frack, hatte eine Gänsekiel-Feder in der Brusttasche stecken und stellte sich als »Balzac – nennen Sie mich einfach Balz« vor. Noah Gonzalez und Tommy Janssen gingen als ein Pferd, das aber an jedem Ende einen Kopf hatte, weil keiner von ihnen ... na also, Sie haben kapiert. Callahan war als Grizzlybär herausstaffiert, was zu seiner riesigen irischen Figur paßte, aber er zuckte immer noch zusammen, wenn man ihn anrempelte, und erklärte jedem, der so unvorsichtig war, ihm zuzuhören, daß er ein Bärmixer sei. Ich war als Pirat verkleidet, trug eine schwarze Augenklappe und den Namen einer bestimmten Ölgesellschaft auf der Brust.
    Ich beobachtete den Wirbel und amüsierte mich großartig, weil ich versuchte, meine Freunde trotz ihrer Masken zu identifizieren, als ich ein sehr vertrautes, nicht maskiertes Gesicht entdeckte.
    Mickey Finn.
    Ich hatte Finn längere Zeit nicht mehr gesehen, seit er nach Kanada übersiedelt war und dort eine Farm betrieb, und ich freute mich, weil er es geschafft hatte, zu dem Treffen zu kommen.
    »Finn!« überschrie ich das Getöse. »Hierher.«
    Ein Mensch hätte mich vermutlich nicht gehört, aber Finn blickte sofort auf, lächelte mir quer durch den Raum zu und begann, sich einen Weg zur Theke zu bahnen.
    Finn behauptet immer, daß er irgendeine Maschine in sich trägt, aber er hat auch viel von einem Menschen an sich. Er hätte mühelos die Hand durch die Wand drücken können, aber er achtete sorgfältig darauf, daß er unterwegs an niemanden anstieß. Ich musterte ihn, bemerkte sein Arbeitshemd, den Overall aus solidem Baumwollköper und die abgetragenen Arbeitsschuhe und fand, daß er sich gut an sein Exilleben auf Terra angepaßt hatte. Wenn er lächelte, bewiesen die Falten um seine Mundwinkel, daß dieser Ausdruck ihm nicht mehr so fremd war wie früher einmal.
    Endlich

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