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Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spider Robinson
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einen Augenblick lang an, dann zog er seine Pistole und richtete sie auf Steves Nabel. »Dieses Ding tötet ebenfalls, Soldat. Heben Sie das Gewehr auf.«
    Ich starrte Steve wie gelähmt an. Er stand offenbar Todesängste aus, und ich war genauso überzeugt wie er, daß er im nächsten Augenblick tot sein würde. Heb es auf, Steve, betete ich. Du mußt es ja nicht verwenden, heb das verdammte Ding nur auf.
    »Sergeant«, antwortete Steve endlich, »Sie können mich dazu zwingen, es aufzuheben, aber Sie können mich nie dazu bringen, daß ich es verwende. Nicht einmal mit Ihrer Automatik. Was soll also der ganze Zauber?«
    Der Sergeant sah ihn lange an, dann steckte er seine 45er ins Halfter und winkte ein paar Obergefreite herbei. »Bringt den verdammten Nigger in den Bau«, knurrte er und bückte sich wieder zu der Kiste. Bevor ich überlegen konnte, flog ein Gewehr auf mich zu, und ich fing es anstandslos. »Der nächste«, brüllte er, und die Reihe bewegte sich weiter. In der Unterkunft kam ich wieder zu mir, betrachtete das Gewehr und fragte mich, warum Steve etwas so Wahnsinniges getan hatte.
    Kurz danach wurde ich nach Vietnam eingeschifft – ich versuchte, mit Steve im Bau Verbindung aufzunehmen, aber es gelang mir nicht. Er blieb mit den restlichen Amerikanern in der Heimat zurück, und ich landete in einem Dschungel voll unfreundlicher Fremder. Es war schlimm – wirklich schlimm – und ich dachte viel an Steve und an die Wahl, die er getroffen hatte. Ich konnte die Menschen, gegen die ich kämpfte, nicht von den Menschen unterscheiden, für die ich kämpfte, und die offizielle Parole – »Schieß auf alles, was sich bewegt« –, befriedigte mich keineswegs.
    Zuerst. Dann schlug mir eines Tages ein zwölfjähriger Junge mit einer Machete das linke Ohrläppchen ab, während ich ein paar Lebensmittel für ihn zusammensuchte. Der Junge wollte mir eigentlich den Kopf abschlagen, aber ein guter Freund von mir, Sean Reilly, schoß ihm in den Bauch, als er ausholte.
    »Um Himmels willen, Tony«, ermahnte mich Sean, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß der Junge tot war, »du weißt doch: Dreh einem Gook nie den Rücken zu.«
    Ich war mit meinem blutenden Ohr beschäftigt und konnte ihm deshalb nicht antworten, aber allmählich schloß ich mich seiner Meinung an. Vietnam war leichter gewesen als das Gefängnis, das Gewehr fangen war leichter gewesen, als es fallen zu lassen, Gooks töten war leichter, als mit ihnen über politische Philosophie zu diskutieren.
    Eine Woche später wurde es noch viel leichter.
    Seans Einheit war zur Erkundung flußaufwärts geschickt worden, während wir übrigen eine Atempause vor der großen Offensive hatten. Ich schob Wache mit einem Burschen, an dessen Name ich mich nicht erinnere – er war kein schlechter Kerl, aber er rauchte Marihuana, und man hatte mir von Kind auf eingetrichtert, daß das Zeug schädlich ist. An diesem Tag rauchte er jedenfalls ein paar Joints, während wir auf die Geräusche des Dschungels lauschten und auf die Ablösung warteten, damit wir Essen fassen konnten. Das Marihuana machte ihn durstig, deshalb bot ich ihm an, ihn zu vertreten, während er zum Fluß hinunterging, um zu trinken. Er verschwand leicht schwankend im Dschungel.
    Eine Minute später hörte ich ihn schreien.
    Es waren keine fünfzig Meter bis zum Fluß, aber ich folgte ihm vorsichtig, denn ich nahm an, daß er tot war und daß ich einer feindlichen Übermacht gegenüberstand. Doch als ich meinen Gewehrlauf durch das Laub schob, sah ich nur ihn. Er lag auf den Knien und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. O mein Gott, dachte ich, ausgerechnet jetzt muß er ausflippen. Ich wollte ihn schon anbrüllen, als ich sah, was er gesehen hatte.
    Sean trieb träge ans Ufer, seine Finger und Zehen hingen wie ein Halsband fein säuberlich aufgefädelt um seinen Hals, und sie hatten ihm seine Genitalien in den Mund genäht.
    Ein Freund, ein Mann, der mir das Leben gerettet hatte, ein Mensch, der Künstler werden wollte, wenn er nach Hause kam, war von einem Haufen schlitzäugiger Affen tranchiert worden wie eine Weihnachtsgans – es war nicht mehr leicht, Gooks  zu töten.
    Es machte Spaß.
    Ich erlebte den Rest des Krieges wie in einem leichten rötlichen Dunst. Ich habe Frauen vergewaltigt, ich habe einem Baby den Schädel mit dem Gewehrkolben eingeschlagen, um einen Vietkong-Sympathisanten zum Reden zu bringen, ich habe Gefangene gefoltert, und es hat mir Spaß gemacht. Ich

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