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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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erklärte er: »Ich möchte jeden einzelnen von uns daran erinnern, nichts zu berühren, bis wir eine Möglichkeit haben werden, alles an Ort und Stelle zu fotografieren.« Nachdem er von allen Seiten Zusicherungen erhalten hatte, lächelte er. »Hier entlang, bitte. Geben Sie acht, wohin Sie treten.«
    Er drehte sich zur Seite, zog die Schultern ein, um sich durch die Öffnung zu zwängen, und verschwand im dunklen Inneren des Grabmals.
    Als Nächster ging Lord Carnarvon, und seine Tochter folgte ihm auf dem Fuße.
    Hinter ihr trat Burleigh durch die Öffnung. Vorsichtig schritt er, über den Haufen aus Schutt und zerbrochenen Ziegelsteinen. Er passierte einen schmalen Vorraum und gelangte in eine Kammer, die aus dem natürlichen Gestein ausgehauen worden war.
    Niemand sprach ein Wort. Alle standen schweigend im Bann des Mysteriums.
    Die Luft im Inneren des Grabmals war trocken und enthielt den metallischen Geruch von Felsstaub und, merkwürdigerweise, Gewürzen - als ob eine einstmals kräftige Mischung aus Kiefernharz und Weihrauch im Verlauf einer unermesslich langen Zeit zu einem nur noch geisterhaften Fetzen ihrer früheren wohlriechenden Existenz dahingeschwunden wäre. Der Geruch reizte mehr die Schleimhäute, als dass er sie kitzelte. Burleigh rieb sich die Nase und drang weiter in das Grabmal vor.
    In dem Raum, der nur wenig größer als ein Eisenbahnwaggon war, stapelten sich verstaubte Möbelstücke. Man sah einen schwarz lackierten Stuhl, ein Bettgestell, die bemalten Räder eines Pferdewagens und verschieden große Kisten, Schatullen sowie Truhen. In die Armlehnen des schwarzen Stuhls waren Löwenköpfe geschnitzt worden, die man mit Blattgold bedeckt hatte. Genau dies, so befand Burleigh, war es gewesen, was Howard Carter bei seinem ersten Blick in die Grabkammer funkeln gesehen hatte; denn wohin man auch schaute - es gab kein anderes Gold.
    An den entgegengesetzten Enden der Kammer befanden sich Türen, die zu anderen Räumen führten. Instinktiv ging Carter zu der Tür auf der rechten Seite, Carnarvon hingegen zur linken.
    Carnarvon war der Erste, der das Schweigen brach. »Kanopenkrüge«, verkündete der Lord, dessen Stimme in der dumpfen Luft des Grabes seltsam tot klang. »Was haben Sie gefunden?«
    »Den Sarkophag«, antwortete Carter. »Er ist hier - und unbeschädigt. Wir haben Glück. Es hat hier keinen Grabraub gegeben.«
    Während die anderen sich damit beschäftigten, den kunstvollen königlichen Steinsarg oberflächlich zu untersuchen, machte Burleigh im Geiste eine rasche Bestandsaufnahme der Gegenstände, die er verkaufen konnte, und schätzte ab, was jedes Einzelstück auf dem Markt wohl bringen würde. In einer Ecke sah er zwei sehr schöne, aus rotem Granit gemeißelte Katzenstatuen; direkt neben ihnen war eine kleine Eule aus Ebenholz; und mitten zwischen den Holzkisten befand sich ein großer Jagdhund mit einem juwelenbesetzten Halsband ...
    »Wer ist das?«, fragte Carnarvon. »Können Sie es erkennen?«
    Burleigh gesellte sich wieder zu den anderen, die nun neben dem Sarkophag standen - einer überdimensionalen lederfarbenen, steinernen Gruft, in der oben Hieroglyphen eingemeißelt waren.
    »Es ist hier«, sagte Carter. »Ja, hier ist es. Hier ist ein Name ...«
    »Und?«, verlangte Carnarvon zu wissen, dessen Stimme vor lauter Ungeduld ganz schrill geworden war. »Was besagt die Inschrift? Wer ist es?«
    Burleigh spürte, dass die Erwartung rasch in tiefe Frustration umschlug. Und er glaubte, dass er den Grund dafür erraten konnte.
    »Es ist ein Mann«, erwiderte Carter, der mit dem Finger über die Zeichen fuhr wie ein Blinder über die Brailleschrift. »Sein Name ist Anen.« Er blickte vom Gegenstand seiner Untersuchung auf. »Er ist - war - ein Priester, der den Titel des Zweiten Propheten des Amun trug. Er stand sehr hoch in der Tempelhierarchie.«
    »Also kein König«, bemerkte Lord Carnarvon, der es nicht vermochte, die Enttäuschung aus seiner Stimme fernzuhalten. »Schade!«
    »Nein, kein König«, bestätigte der Archäologe. »Aber nichtsdestoweniger ist es immer noch ein bedeutender Fund.«
    »Natürlich«, stimmte Carnarvon ihm zu und wandte sich ab. »Äußerst bedeutsam.«
    »Oh, Daddy«, schalt Evelyn. »Schmoll doch nicht, nur weil es keinen Berg aus Gold und Juwelen gibt, den man plündern kann. Schau nur auf all die wunderbaren Malereien.«
    Sie hielt ihre Laterne zur Wand hin, und Burleigh sah, was bis zu diesem Augenblick seiner Aufmerksamkeit entgangen

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