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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Unsichtbarkeit bestach. Neben ihm kniete Masor und schüttelte den Kopf.
    »Beinahe wäre er dem Geschoss noch ausgewichen. Es hat seine Wange nur geritzt und trotzdem …«
    »Die Lähmung ist nur vorübergehend«, beruhigte Taramis den Kameraden. »Wahrscheinlich kann er uns sogar sehen und hören. Marnas, Gabbar und ich holen jetzt den General. Kontrolliere noch einmal die Fesseln der Leibgardisten. Anschließend besorgt ihr Waffen, Proviant und was wir sonst noch gebrauchen können.«
    Er gab dem Hüter und Gabbar einen Wink und stürmte ihnen voran die Treppe hinauf.
    Als fünf Stockwerke tiefer die eisernen Türscharniere barsten, stieß Natsar einen Fluch aus. Er saß in seinem Arbeitszimmer und hatte gerade über den Rapport des Lagerkommandanten nachgedacht. Sofort begriff er den Ernst der Situation, ließ sich davon aber nicht aus der Fassung bringen. Zwar ärgerte ihn der dreiste Überfall auf sein Haus, doch als wirkliche Gefahr empfand er ihn nicht.
    Ruhig erhob er sich und griff zu den Waffen. Sie lehnten an der Wand hinter dem Arbeitstisch, neben der Ausrüstung des Tempelwächters dem Stab Ez, dem Schwert Malmath und dem Schild Schélet. Das Kurzschwert mit dem Feuerfischkopf gürtete Natsar rechts, den Speer nahm er in die Linke. Den Brustpanzer aus feuerversilberten Stahlplatten hatte er seit der Rückkehr aus Komana noch nicht abgelegt. Ohnehin war sein Geist weitaus tödlicher als Eisen und Stahl. Die Ungestreiften ahnten ja nicht, was für eine Macht sie herausforderten.
    So gewappnet suchte er sich eine strategisch günstige Position im Rücken der Eindringlinge, die sich über die Treppe anpirschten. Ihre Schritte waren kaum zu hören. Seine gestiefelten Leibwächter pflegten im Vergleich dazu laut wie Grubenschweine durch den Wohnturm zu trampeln.
    Reghosch und Qoqh hatten ihn gleich nach seiner Rückkehr gewarnt. Das regelmäßige Erlöschen der Fackeln auf den Wachttürmen, das häufige Tuscheln der immer gleichen Sklaven bei den Mahlzeiten – die Vorzeichen einer Verschwörung waren unübersehbar gewesen. An den Gegenmaßnahmen des Lagerkommandanten gab es für ihn nichts auszusetzen. Selbst den Tod des Aufrührers Taramis hatte er zähneknirschend gebilligt, wenngleich er die dadurch verpasste Chance bedauerte. Nun würde Dagonis den langen und mühevollen Weg zur Weltherrschaft gehen müssen.
    Aus Reghoschs Kammer hallte ein leises Scharren herauf. Bestimmt wollte der Anführer des Haufens es sich nicht nehmen lassen, den Eroberer von Jâr’en selbst zur Strecke zu bringen. Natsar balancierte noch einmal die Waffe aus, um sie mit der nötigen Kraft und Genauigkeit ins Ziel zu lenken. Seine Sinne und Muskeln waren bis zum Äußersten gespannt. Als das siebenfach bezopfte Haupt eines Zeridianers im Niedergang auftauchte, schleuderte er den Speer – und durchlebte für die Dauer eines Wimpernschlags ein Wechselbad der Gefühle.
    Der Eindringling nämlich – hatte er etwas gehört oder ahnte er den Angriff? – warf den Kopf herum. Es war Taramis. Natsar erstarrte. Warum liegt er nicht als Skelett auf dem Grund der Grube? Die Augen des Ungestreiften weiteten sich. Er versuchte noch nach unten abzutauchen, doch da durchschlug die stählerne Spitze auch schon seine Stirn. Er wurde nach hinten geschleudert und entschwand Natsars Blick.
    Der Feldherr war völlig perplex. Er hatte sich gerade selbst um die Gelegenheit gebracht, das Geheimnis der Seelenbäume zu ergründen. Wütend zog er das Schwert und lief auf den Niedergang zu. Als die obersten Stufen in sein Blickfeld rückten, erwachte sein Misstrauen. Da waren weder Blut noch eine Leiche zu sehen.
    Plötzlich tauchte auf der Treppe ein Zeridianer auf, mit kraftvollen Sätzen stürmte er nach oben. Entgeistert starrte Natsar den Mann an, der nun schon zweimal hätte tot sein müssen.
    Taramis landete nach einem enormen Sprung im Arbeitszimmer, tief geduckt und aus blassbraunen Augen den Gegner fixierend. Links hielt er ein dagonisisches Kurzschwert, in der Rechten die Waffe, die gerade erst sein Trugbild durchbohrt hatte. Ehe der Getäuschte seine Fassung zurückgewinnen konnte, stieß der siebenzöpfige Gaukler sich wieder ab.
    Natsar sah das stumpfe Ende des Speers heranrasen und duckte sich. Der Stoß traf ihn trotzdem, so als habe er gar nicht versucht auszuweichen. Ein infernalischer Schmerz explodierte in seinem Kopf. Er taumelte zurück. Die Schädel von Antischen waren robuster als die gewöhnlicher Menschen. Nur deshalb brach er

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