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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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schmalen Streifens ragten schroffe Felsen in den Abendhimmel. Weitere dagonisische Patrouillen schien es in diesem Teil der Insel nicht zu geben.
    »Masor, kümmere dich um alles, bis Marnas, Gabbar, Zur und ich zurück sind«, wies Taramis den Kameraden an. »Natsar muss pausenlos bewacht werden. Jemand sollte auch nach den Fischköpfen Ausschau halten – die Mannschaften der zwei Ätherschlangen waren bestimmt nur Vorposten. Und richtet ein Lager für die Nacht her. Ihr könnt aus den Zweigen der Kiefern provisorische Hütten bauen. Ich denke, du weißt, was du zu tun hast.«
    Der Hauptmann grinste. »Als wenn du nicht schon alles Wichtige gesagt hättest! Du willst tatsächlich heute noch in die Stadt hinabsteigen?«
    »Ja. Wie ich diesen Reghosch einschätze, wird er uns verfolgen. Wir machen hier nur so lange wie nötig Station.«
    »Dir ist doch klar, dass ihr vor Einbruch der Dunkelheit am Tor sein müsst. Kommt ihr zu spät, schlaft ihr zwischen den Weinstöcken.«
    »Wir schaffen den Marsch in einer Stunde. Das dürfte gerade reichen.«
    »Sollten euch die Fischköpfe irgendwo auflauern …«
    »Ich habe die richtigen Männer ausgewählt, um auch damit fertigzuwerden«, beruhigte Taramis den Freund. Er klopfte Masor auf die Schulter und bedeutete den wartenden Gefährten, ihm zu folgen.
    Schweigend liefen sie in die Schatten der Bäume. Wie Jäger auf der Pirsch öffneten sie ihre Sinne und vermieden jedes unnötige Geräusch. Wichtige Beobachtungen wurden den anderen in der zeridianischen Zeichensprache mitgeteilt. Diese umfasste einen ganzen Wortschatz aus Gebärden, mit denen sie sich beliebig austauschen konnten.
    Die vier ergänzten sich so perfekt wie die Teile eines Leibes. Marnas war für das Tasten zuständig. Wenn ihm ein Busch verdächtig vorkam, schob er aus sicherer Entfernung mit Geisteskraft die Zweige auseinander. Gabbar hatte die empfindliche Nase und die Kraft eines Bären. Der aus Zeridia stammende Zur dagegen war ein Lauscher. Er besaß das feine Gehör und eigensinnige Wesen einer Raubkatze – in der Tempelwache nannte man ihn deshalb Kater Zur. Er bewegte seinen kompakten Körper so geschmeidig und lautlos wie auf Samtpfoten durch den Wald.
    Das Knistern trockener Kiefernnadeln ließ ihn plötzlich die Hand hochreißen. Alle erstarrten.
    Ein Zwergopossum flitzte über den Weg.
    Zurs Hakennase zuckte, ein Zeichen diebischer Freude oder höchster Erregung – bei ihm wusste man nie genau, wann aus Theatralik tödlicher Ernst wurde.
    Marnas bedachte ihn mit einem tadelnden Blick.
    Unterdessen strich Taramis mit den Fingerspitzen über das Harz eines abgeknickten Zweiges. Die Bruchstelle war mindestens einen Tag alt. Während die Gruppe weitermarschierte, setzte er die Gabe des Fährtenglühens ein. Nichts deutete auf einen dagonisischen Hinterhalt hin.
    Bald stießen sie auf einen Trampelpfad, der sich den Hang hinabschlängelte. Trotz des größeren Risikos folgten sie ihm, um schneller voranzukommen; es dämmerte bereits. Nach weniger als einer Meile traten sie zwischen den Nadelbäumen hervor. Unter sich sahen sie die rotbraunen Ziegeldächer der Hauptstadt Debir – die Kapitale hieß genauso wie die Insel. Der Ort war umgeben von Wein, die Stöcke reihten sich auf sandigem Lehmboden so weit das Auge reichte.
    Die zeridianischen Kundschafter setzten ihren Marsch auf einem gewundenen Weg aus festgestampfter Erde fort. Insekten umschwirrten sie. Im Weinberg waren schon die ersten Blüten zu sehen, Vorboten des Sommers. Am Himmel kreiste ein Bussard auf der Suche nach Beute. Das idyllische Bild wurde nur von den Rauchfahnen über der Stadt getrübt.
    »Sieht so aus, als hätte es in Debir gebrannt«, sagte Marnas. So wie Taramis Ez als Wanderstab benutzte, stützte der Hüter sich auf einen Speer. Zu ihrer Ausrüstung gehörten überdies drei der auf Zin erbeuteten Schwerter sowie Gabbars riesige Streitaxt. Sie war, wie Natsar inzwischen zugegeben hatte, ein Geschenk von Dov, dem König der Kirries. Die Bewaffnung stand in auffälligem Kontrast zu ihren schmutzigen Tuniken.
    »Fischköpfe«, brummte Gabbar.
    »Ich wundere mich, dass wir bisher keinen einzigen gesichtet haben – abgesehen von denen, die draußen im Meer treiben«, sagte Taramis.
    »Wahrscheinlich haben sie noch nicht genug Schnupftabak für eine groß angelegte Invasion.«
    Marnas nickte. »Natsar ist ein gewiefter Taktiker. Ich an seiner Stelle hätte nach dem Überfall auf Jâr’en nur eine kleine Garnison

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