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Die Zuflucht der Drachen - Roman

Die Zuflucht der Drachen - Roman

Titel: Die Zuflucht der Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penhaligon Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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gefressen. Die Berührung eines ersten Horns würde mich wahrscheinlich töten. So verdorben bin ich. Ich brauche das Horn nicht. Aber ich weiß, wie ihr an die Seele Grunholds herankommen könnt. Wenn du das Horn willst, musst du deine Fähigkeiten als Schattenschmeichler einsetzen.«
    »Was?«
    »Ein Schattenschmeichler pflegt Brüderschaft mit den Kreaturen der Nacht. Seine Gefühle lassen sich nicht manipulieren. Nichts entzieht sich seinem Blick. Er hört und versteht die geheimen Sprachen der Dunkelheit.«
    »Bin ich ein Schattenschmeichler?«, fragte Seth zögernd.
    »So gut wie. Der Nagel hat ein starkes Fundament gelegt. Ich beabsichtige, diese Gaben zu festigen und dich in aller Form zu einem Verbündeten der Nacht zu erheben. Ich werde deine Fähigkeiten klarere Gestalt annehmen lassen.«
    »Wird es mich böse machen?«, hauchte Seth.
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich dich zu einem Verbündeten des Bösen mache. Alle Macht kann zum Guten wie zum Bösen eingesetzt werden. Diese Macht ist bereits dein. Ich werde dir lediglich helfen, dich ihrer besser zu bedienen. Nutze sie, wie es dir gefällt.«
    »Wie kann mir das helfen, an das Horn heranzukommen?«, hakte Seth nach.
    Der Dämon sah Seth an und musterte ihn mit trüben Augen. Als er sprach, klangen seine Worte bedächtig. »Wer kann ein unsichtbares Labyrinth durchqueren? Der Mann, der es sehen kann. Wer findet einen Weg an einem Bergtroll vorbei? Der Mann, der sein Freund wird. Wer kann das erste Horn eines Einhorns stehlen? Der Mann, der immun ist gegen Schuld.«
    »Du hast Opa tatsächlich gehört.«
    »Es würde mich sehr ergötzen, die Zentauren gedemütigt zu sehen«, erklärte Graulas. »Du bist der erste neue Schattenschmeichler seit Jahrhunderten. Vielleicht wirst du der letzte sein. Nur wenige sind noch übrig, die diese Ehre in der gebührenden Form verleihen können. Ich sehe, dass bei dir bereits die meisten Kennzeichen im Entstehen begriffen sind. Nichts wird das umkehren können. Besser vollenden, was begonnen wurde. Die Dunkelheit hat dich berührt, gerade so wie das Licht deine Schwester umschlossen hat.«
    »Das klingt reichlich zwielichtig«, meinte Seth ausweichend und machte einen Schritt zurück. Sollte er wirklich von einem sterbenden Dämon einen Gefallen annehmen? War der modrige Gestank dieses Ortes nicht Hinweis genug, schnell zu verschwinden?
    Stöhnend und mit einer zersplitterten Zaunlatte als Krücke erhob sich Graulas mühsam. Seine gebogenen Hörner berührten fast die Decke. Mit kunstvollen Gebärden begann er geheimnisvolle Zeichen in die Luft zu malen und stimmte einen kehligen Gesang an. Gegen Ende der Darbietung begann Seth die Worte zu verstehen. »… Tröster von Phantomen, Gefährte von Trollen, Berater von Dämonen, hiermit und hinkünftig anerkannt und angenommen als Schattenschmeichler.«
    Graulas ließ die Arme sinken und setzte sich schwerfällig hin. Holz splitterte unter ihm, und eine Staubwolke flog auf.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Seth.
    Der Dämon hustete leicht. »Ja.«
    »Warum hast du am Ende ins Englische gewechselt?«
    Die Mundwinkel des Dämons zuckten. »Habe ich nicht. Herzlichen Glückwunsch.«
    Seth bedeckte für einen Moment die Augen. »Ich habe dir nicht die Erlaubnis gegeben, das zu tun!« Er musterte den Dämon mit einem düsteren Blick. »Ich habe Angst, dass es ein Riesenfehler war hierherzukommen.«
    Graulas leckte sich mit seiner dick geschwollenen Zunge die rissigen Lippen. »Ich kann dich ebenso wenig böse machen, wie du mich gut machen kannst. Du sorgst dich, dass es deine Persönlichkeit verändern könnte, wenn du Hilfe von einem Dämon annimmst. Ich war früher einmal sehr böse. Absichtlich böse. Im Laufe der Zeit, während ich schwächer wurde und verfiel, hat mein Verlangen nach Macht abgenommen. Gleichgültigkeit trat an die Stelle von Habgier. Du sprichst nicht mit einem bösen Dämon. Ein böser Dämon hätte dich auf der Stelle getötet. Du redest mit einer verfaulenden Hülle. Mein Leben hat vor langer Zeit ein Ende gefunden. Als ich schon glaubte, ich könnte längst nichts mehr empfinden, hast du mein Interesse entfacht. Ich bin nach wie vor neugierig genug, um dir helfen zu wollen. Ich verfolge keine Hintergedanken. Es steht dir frei, deine Gaben zu nutzen, wie immer es dir beliebt.«
    Seth legte die Stirn in Falten. »Ich schätze, ich fühle mich nicht böser als zuvor.«
    »Entscheidungen legen den Charakter fest. Du hast keine Entscheidung getroffen,

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