Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
Sprühregen legte sich wie ein Schleier über
ihren Körper und ihr Leben. Das Gras zu ihren Füßen war kalt und nass.
Exkremente waren darin verschmiert …
Sie musste ihre Augen davon losreißen, wenn sie
nicht in völlige Depression verfallen wollte.
Kapitel
10
Eigentlich war Jonas
es gewohnt, wochentags wie ein Aufziehmännchen im Kreis zu rotieren. Aber am
Mittwoch geriet er doch tatsächlich an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit.
Um vier Uhr früh stand er auf, weil er noch das
Modell eines Infozentrums zu Ende bauen wollte. Das musste sein Auftraggeber
heute Mittag Punkt zwölf Uhr abgeben. Also setzte er sich an seinen
Schreibtisch und begann, die zugeschnittenen Einzelteile des Gebäudes mit
Klebstoff zu einem Ganzen zusammenzufügen. Er versuchte sich zu konzentrieren,
aber stets geriet Maries Gesicht zwischen ihn und seine Arbeit.
Komisch, er konnte sich kaum noch an Nadines
Augen erinnern, obwohl er sich jahrelang über sie gebeugt und Tropfen und
Wässerchen hineingeträufelt hatte. Aber Maries Augen sah er deutlich vor sich.
Er konnte sie sehen, weil er mehr der visuelle Typ war und Maries Gesicht, wenn
sie sich unbeobachtet glaubte, wie einen Bauplan las und studierte. Ihre Augen
waren groß und zärtlich und von einem überraschend lebhaften, warmen Grau. Ihre
Brauen hatten den perfekten Schwung, und das Geflatter ihrer Wimpern, wenn sie
wieder ihren nervösen Tick hatte, berührte ihn zutiefst. Als sie neulich den
Bums gebaut hatte, war es besonders schlimm gewesen. Da hätte er sie am
liebsten in den Arm genommen, damit sie sich endlich beruhigte und das
Augenzucken nachließ. Er hätte sie überhaupt gern im Arm gehalten, und nicht
nur, weil er unter ihren Klamotten einen sensationellen Körper vermutete. Es
musste ein Wahnsinnsgefühl sein, das Gesicht in ihr weiches, mittelblondes, von
der Sonne wild gesträhntes Haar zu wühlen. Und erst ihr Mund, der von einem
äußerst sensiblen Zug umgeben war, und ihre Lippen, diese süßen, zarten Lippen,
die ihn neuerdings fast um den Verstand brachten …
All diese Details hatte er sich eingeprägt und
setzte sie nun Stein auf Stein zusammen wie ein Haus, das er festhalten wollte,
damit es nicht auseinanderbröckelte.
Marie … Vom Äußeren her war sie genau sein Typ.
Der sprichwörtliche Blitz war’s trotzdem nicht gewesen. Da war er ganz ehrlich,
auch sich selbst gegenüber. Aber der Spruch, dass es für den ersten Eindruck
keine zweite Chance gab, stimmte eben auch nicht. Die gab es, oh ja, und ob. Im
Nachhinein konnte er nicht mehr verstehen, warum er sie in den ersten Wochen
ihrer Bekanntschaft Hundetante genannt hatte und blöde Ziege. Vielleicht, weil
er immer maßlos verwirrt war, wenn sie wieder ihren forschen Tonfall
draufhatte, ihm ständig widersprach oder ihn gar mit ihren Schimpftiraden überzog.
Da wollte er noch jedes Gespräch mit ihr vermeiden und wäre ihr am liebsten aus
dem Weg gegangen. Obwohl sie ihn merkwürdigerweise auch angezogen hatte, sehr
sogar. Wahrscheinlich hatte er eine heimliche Schwäche für stutenbissige
Frauen. Auf jeden Fall war sie ganz anders als die ewig gutmütige Nadine. Sie
war reizvoller. Und je näher er sie kennenlernte, desto mehr wurde ihm bewusst,
dass sie bei aller Schroffheit auch eine zugewandt freundliche und
hilfsbereite, ja sogar zarte und verletzliche Seite hatte. Wie kleinlaut sie
neulich nach dem Kochen gewesen war, wie süß und feminin. Wie sie sich für ihn
zurechtgemacht hatte. Und wie sie seinen Blicken ausgewichen war, als er
angefangen hatte, mit ihr zu flirten. Als hätte sie Angst gehabt, dass seine Augenspiele
etwas in ihr auslösen könnten, das sie lieber unterdrückt hätte. Einmal hatte
er aus Versehen mit seinem Knie ihr Bein berührt. Da hatte sie es hastig
zurückgezogen und war wie ein Schulmädchen errötet. Seitdem war die Spannung
zwischen ihnen fast körperlich greifbar.
Er verlor sich förmlich an diese Erinnerungen.
Marie … Sie wirkte so positiv und
energiegeladen, und sie war so tierlieb. Wie unbeschwert sie mit den Hunden
herumtobte und -knuddelte. Mal rau und frotzelig, dann wieder unbeschwert und
schmusig. Er dagegen hatte als Kind alles abgemurkst, was sich in sein
Blickfeld schob. Was hatte er nicht alles verbrochen: Libellen die Flügel
herausgerissen, Stichlinge auf Strohhalme gespießt, Regenwürmer mit dem
Feuerzeug verbrutzelt … Nichts war ihm arg genug gewesen. Er musste an die
Weinbergschnecken denken, die er im Park geknackt hatte. Mit
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