Die Zwölf Türme (German Edition)
wieder in Kadrapor seid, richtet dem König meinen Gruß aus und sagt ihm, dass ich mein Bestes geben will, die Menschen von Parva heil nach Kadrapor zu bringen. Aber sagt ihm auch, dass sicherlich nicht alle lebend dort ankommen werden."
Als der Morgen graute, war auch der Letzte von Maridas Kriegern mit Hilfe von langen Seilen den Wall auf der Nordseite hinabgeklettert, ohne dass ihre Flucht bemerkt worden war.
Dann zog sich die ganze Truppe in das verfilzte Unterholz des sumpfigen Urwaldes zurück, der das ganze Schattenland überwucherte.
Düsteres Zwielicht herrschte auf dieser Seite des Grenzwalles, denn über dem ganzen Schattenland lag ein dunkler, rauchähnlicher Nebel wie ein finsteres Leichentuch. Kein Windstoß konnte diesen unnatürlichen Nebel zerreißen und kein Sonnenstrahl vermochte ihn zu durchdringen. Dies war ein Land der Düsternis, das seinem Namen alle Ehre machte.
Bomyr schien recht zu behalten, denn auf dieser Seite des Grenzwalles schien es keine Bestien mehr zu geben. Kein Monstrum brach aus den Büschen hervor, um sie anzugreifen. Offensichtlich hatte die Gier nach Menschenfleisch alle Monstren nach Rakanor hineingetrieben.
Marida ließ Edwin und Cormain, die beiden Kundschafter, zu sich kommen und befahl ihnen, der Truppe vorauszugehen, um den Weg zu erkunden.
Die beiden Männer waren ein recht seltsames Gespann. Während Cormain ein blondhaariger, muskelbepackter Hüne von über zwei Metern Körperlänge war, bildete Edwin dazu den absoluten Gegensatz. Denn dieser war dunkelhaarig und von kleiner, jedoch recht drahtiger Statur. So unterschiedlich wie die beiden Männer war auch ihre Bewaffnung. Cormain trug eine schwere, zweischneidige Streitaxt und ein kleineres Wurfbeil im Gürtel, während Edwin mit einem Kurzschwert und mehreren Wurfmessern bewaffnet war.
Beim Anblick der beiden drängte sich einem Betrachter unwillkürlich der Vergleich zwischen einem Löwen und einem Wiesel auf.
Marida beabsichtigte, sich mit ihrer kleinen Truppe in Sichtweite des Walles nach Westen durchzuschlagen, um so an die Küste zu gelangen. Dort würde sich dann schon eine Möglichkeit finden, wieder nach Rakanor hineinzukommen und die Stadt Parva zu erreichen.
Thormac, einer der beiden verbliebenen Obristen in ihrer Truppe, erbot sich, die Vorhut von einem Dutzend Kriegern anzuführen, während der Obrist Bomyr die Führung der Nachhut übernahm.
Marida blieb indessen beim Gros der zusammengeschmolzenen Truppe, die sich nun im Gänsemarsch durch den schlammigen, übel riechenden Morast des Sumpfwaldes nach Westen quälte.
Aus den Stämmen junger Birken hatten sie sich mit Hilfe scharfkantiger Steine primitive Lanzen angefertigt, um nicht völlig wehrlos zu sein. Dann war Dirkos zufällig auf eine Quelle gestoßen, deren klares Wasser ihren Durst löschte und ihre Lebensgeister wieder erweckte. Tinea fand nahe der Quelle einen Baum mit pfirsichähnlichen Früchten, über sie sich gierig hermachten, um den beißenden Hunger in ihren Eingeweiden zu stillen.
Nachdem sie sich satt gegessen hatte, ohne dabei einen Gedanken daran zu verschwenden, ob die Früchte nicht vielleicht giftig sein könnten, legten sie sich im Schatten eines alten, knorrigen Baumes nieder, um dort die Nacht zu verbringen, denn der Abend dämmerte bereits.
Der Zwerg Rondold erbot sich, die erste Nachtwache zu übernehmen und Elkai versprach, ihn gegen Mitternacht abzulösen.
"Wie soll es morgen weitergehen?" fragte der Elf Darian, bevor die anderen eingeschlummert waren, "Wenn wir weiter an der Küste entlang westwärts gehen, kommen wir in die Grenzberge. Dort werden wir bestimmt keine Nahrung finden. In den alten Karten stand, dass es sich um ein unwirtliches, karges Gebiet handelt."
"Wir werden sie südlich umgehen, bis wir wieder an die Küste gelangen", meinte Elkai, "Doch jetzt lasst uns schlafen, damit wir morgen bei Kräften sind."
Während der Zwerg Wache hielt, fielen die anderen fast übergangslos in tiefen, traumlosen Schlaf...
Eine schier endlos scheinende Kolonne von Wagen, Menschen und Tieren wälzte sich auf der Straße von Parva gen Süden, um die Königsstadt zu erreichen. Immer wieder stießen versprengte Trupps der geschlagenen Grenzlegion vom Nordteil des Grenzwalles zu den Flüchtlingen und schlossen sich Graf Ingors Kriegern an, die den gewaltigen Treck beschützen sollten. Auch aus den Dörfern und Gehöften des Umlandes kamen immer mehr Flüchtlinge, die sich dem Treck
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