Dieb meines Herzens
Klienten zögerten, sich einer so jungen Frau anzuvertrauen?«
»Wie ich schon sagte, hatte Onkel Edward Bühnenerfahrung. Er hatte die Idee, ich solle mich als elegante Witwe verkleiden, samt dichtem Schleier. Die Klienten hielten mich für eine viel ältere und reifere Frau. Die geheimnisvolle Aura, die das Kostüm mir verlieh, gefiel ihnen.«
Thaddeus schien amüsiert. »Dein Onkel wusste, was er wollte.«
»Ja. Es war so wirkungsvoll, dass ich die Witwenkleidung auch beibehielt, als ich schon über zwanzig war.«
»Und das Geschäft lief gut?«
»O ja, einige Jahre ging es uns sehr gut.« Sie hielt inne. »Bis Onkel Edward auf die Idee mit den Investmentplänen kam.«
Thaddeus kniff die Augen leicht zusammen. »Investmentpläne?«
»Du musst mir glauben, wenn ich sage, dass mein Onkel überzeugt war, im amerikanischen Westen könne man ein Vermögen machen, zumal im Bergbau.«
»Bergbau«, wiederholte Thaddeus.
Sie konnte nicht beurteilen, was er dachte, und sprach eilig weiter. »Onkel Edward hatte reichlich Gelegenheit, mit meinen Klienten zu plaudern, weil er alle Termine vereinbarte. Er nützte diese Gelegenheiten, um ein bestimmtes Bergbauprojekt im Wilden Westen als äußerst profitbringend anzupreisen. Es dauerte nicht lange, und einige Gentlemen drängten ihm ihr Geld geradezu auf, um es in das Unternehmen zu investieren.«
Thaddeus’ Mund zuckte und zog sich an den Winkeln hoch. »Und vor zwei Jahren fuhr der gute alte Onkel Edward mit ein paar hunderttausend Pfund deiner Klienten nach Amerika und blieb seither verschwunden.«
Sie erstarrte. »Ich bin sicher, dass er mit dem Gewinn eines schönen Tages zurückkommen wird.«
Sein Lächeln wurde breiter. »Du bist Edward Pipewells Nichte.«
Sie hob stolz ihr Kinn. »Ja, das bin ich.«
Thaddeus’ Augen blitzten nun vor Lachen. »Die Frau, die
Dr. Pipewell half, einigen der reichsten Männer in der Arcane Society das Fell über die Ohren zu ziehen.«
»Mein Onkel hat ihr Geld nicht gestohlen«, sagte sie heftig. »Er entwickelte einen ehrlichen Investmentplan. Es ist nicht seine Schuld, dass die Sache nicht gut lief.«
Sie hätte sich ihren Einwand sparen können. Jetzt konnte Thaddeus nicht mehr an sich halten. Er lachte so schallend, dass er nicht hören konnte, was sie sagte. Vor Lachen brüllend bog er sich, bis ihm Tränen kamen.
Fog beäugte ihn neugierig, den Kopf schräg zur Seite gelegt, während Leona reglos dasaß, ratlos, was sie tun sollte.
Die Tür zur Bibliothek ging auf.
»Was um alles auf der Welt geht hier vor?«, wollte Victoria wissen.
Thaddeus nahm sich mit sichtlicher Mühe zusammen. Er sah Victoria mit seiner wölfisch lächelnden Miene an.
»Nichts von Bedeutung, Tante Vicky«, sagte er. »Leona und ich wollten uns eben zu dir gesellen und frühstücken.«
»Hmmm.« Victoria warf Leona einen misstrauischen Blick zu, ehe sie auf den Gang hinaustrat. Die Tür wurde mit einem unverkennbar missbilligenden kleinen Knall geschlossen.
Leona sah Thaddeus an. »Ich kann verstehen, wenn du eine intime Beziehung mit der Nichte Dr. Pipewells nicht fortsetzen möchtest.«
Er stand vom Schreibtisch auf. In seinen Augen blitzte noch immer das Lachen. »Deine Beziehung zu Pipewell ist für mich bedeutungslos. Ich verlor kein Geld mit seinem Investmentplan.«
Er zog sie von ihrem Stuhl hoch und hob ihr Kinn an.
»Thaddeus?«
»Ich wüsste nicht, was ich lieber täte, als unsere intime Beziehung fortzusetzen, Miss Hewitt.«
Er küsste sie mit einer Intensität, die die Luft um sie herum mit Energie auflud. Als er sie losließ, musste sie sich an der Schreibtischkante festhalten, um ihr Gleichgewicht nicht zu verlieren.
Er lächelte ihr zu und sah sehr zufrieden aus. »Ich glaube, es wird Zeit für das Frühstück, meinst du nicht auch?«
22
Leona klopfte zaghaft an die Tür des Schlafzimmers.
»Sind Sie es, Miss Hewitt?«, rief Victoria in brüskem, sachlichem Ton. »Treten Sie ein.«
Zögernd öffnete Leona die Tür. Sie sah diesem Treffen mit größtem Unbehagen entgegen. Die Aufforderung dazu war gekommen, nachdem Thaddeus das Haus zu einem kurzen Treffen mit Caleb Jones verlassen hatte. Leona war mit Fog und dem Tagebuch ihrer Mutter in den Garten gegangen. Sie saß auf einer Bank und las, als Mary erschien.
»Lady Milden schickt mich. Sie möchte Sie sehen, Madam.« Mary hielt ein wachsames Auge auf Fog, der das Laub am Fuß der Gartenmauer beschnüffelte. »In ihrem Schlafzimmer, sagte sie.«
Es war nichts
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