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Diebesgeflüster - Band 3

Diebesgeflüster - Band 3

Titel: Diebesgeflüster - Band 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Giegerich , Tanja Rast , Flo P. Schmidt , Susanne Haberland
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inzwischen gut – zumindest den Weg bis zum Gral. Heute würde ich mich ausruhen, aber Nuccio mit Sicherheit nicht. Er führte seine Aufgabe stets so lange aus, bis wir unseren Plan vollendet hatten.
    Wie ein Schatten lief ich durch die immer dunkler werdenden Gassen. Lautlos und ungesehen. Ich wusste nicht, ob die Leute mich absichtlich ignorierten und sich danach nicht mehr an mich erinnern konnten, oder ob ich wirklich so unscheinbar war, wie ich mich fühlte. So still und so unsichtbar wie ein Geist.
    Die Steine, mit denen die Straßen Roms gepflastert waren, waren angenehm warm unter meinen nackten Füßen. Allmählich kühlte sich die Luft ab. Draußen auf den Feldern war es bestimmt schon kühler, doch mir machte die Wärme nichts aus. Auch nicht, wenn es so heiß war, dass die Sonne mir beinahe das Haupt verbrannte. Kälte hingegen hasste ich. Und in den unterirdischen Gängen war es kalt. Es war so kalt, dass ich am ganzen Leib zu zittern begann. Dann musste ich immer daran denken, wie einzelne Schneeflocken aus dem Himmel fallen und sich gemütlich auf die Berge setzen.
    So war der Winter im Alpenvorland gewesen. Kalt und bitter. Ich habe ihn gehasst. Da konnte ich nicht mehr unter dem freien Himmel schlafen, sondern musste mir jeden Abend einen neuen Schlafplatz suchen. Manchmal versteckte ich mich in einem Stall oder zwischen den Stühlen eines leeren Gasthauses, oder ich suchte mir eine Höhle und entzündete dort ein Feuer. Allerdings waren die Höhlen sehr beliebt unter den Straßenkindern, und ich mochte es nicht, wenn zu viele Menschen um mich herum waren. Nur ganz selten setzte ich mich zu ihnen, doch eigentlich war mir das zu viel Lärm gewesen. Zu viel Eifersucht.
    Was der eine hatte, wollte der andere haben. Das gab es bei Fabrizios Bande nicht. Deswegen mochte ich auch alle so sehr. Hätte ich nach einem Diebstahl mehr von dem Erlös erhalten als die anderen, so hätten sie mir das gegönnt. Ich wollte nicht einen von ihnen missen. Nicht Fabrizio, der mich zu sich geholt hatte. Nicht Nuccio, der der Einzige war, dem ich alles erzählen konnte. Nicht Elisa, die so viele Nächte mit mir verbracht hatte wie kein anderer. Nicht Constantino, auch wenn ich ihm jeden Schwachsinn und jede Lüge glauben musste. Und nicht Adalgiso, den ich erst seit Kurzem kannte. Er half überall, wo er nur konnte, während er tagsüber in der Stadt arbeitete – das wusste ich. Was er tat, blieb mir allerdings verborgen. So wie wir alle für andere plötzlich unsichtbar werden konnten.
    Nur Fabrizio schaffte das nicht. Früher hatte ich immer darüber gelacht, aber mir wurde mit der Zeit bewusst, dass das kaum ein Mensch schaffte – einfach zu verschwinden. Aber dafür hatte er ja uns. Er brachte die Pläne, wir die Diebesgüter und er machte diese wiederum zu Geld. Es wäre wohl ein Leichtes für ihn gewesen, uns zu hintergehen, aber er besaß unser blindes Vertrauen. Vielleicht war es seine Gabe … dass ihm jeder sein Vertrauen schenkte.
    Ich hatte schon oft darüber nachgegrübelt, ob jeder Mensch eine besondere Gabe besaß, doch ich war noch nie zu einem endgültigen Ergebnis gekommen. Ich glaubte, ja. Allerdings kannte ich zu wenige Menschen, um das mit Gewissheit sagen zu können.
    Die Welt verschwamm kurz vor meinen Augen, dann lief ich durch die geschlossene Türe. In dem Raum vor mir saß ein kleiner Mann. Er bemerkte mich nicht – ich war schließlich unsichtbar. Er aß Fleisch und Brot, während er mit geöffnetem Mund kaute. Eine Frau kam herein. Sie sprachen miteinander. Die Frau legte dem Mann die Hände auf die Schultern, ließ ihn wieder los und sie verließen das Zimmer gemeinsam.
    Ich wusste, dass der Mann Nuccios Vermieter gewesen war, denn ich hatte ihn schon öfter gesehen. Jedes Mal, bevor ich hinauf in Nuccios kleine Kammer ging, überprüfte ich vorher, ob sich jemand im Eingangsbereich befand, der mich sehen konnte.
    Eilig verschmolz ich wieder mit meinem Körper, öffnete leise die Tür, spähte hinein. Der Mann war noch nicht zurück. Wie auf Samtpfoten lief ich hinüber zur Treppe und schlich hinauf. Das dritte Zimmer von rechts war das von Nuccio.
    Ich hatte mich schon öfter zu ihm hineingeschlichen, mich bei ihm schlafen gelegt. Es störte ihn nicht, auch wenn er nicht anwesend war, denn er vertraute mir – so wie ich ihm.
    Zaghaft drückte ich den Türgriff nach unten. Das Zimmer war nicht besonders groß. Es passte ein Bett, ein Stuhl, eine Truhe und ein Tischchen hinein, auf dem

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