Dieser graue Geist
kontaktiert. Dieser Fall verlangte mehr als eine simple Diagnose und einen Behandlungsvorschlag. Thriss entstammte einer Kultur, deren Mitglieder erzogen waren, persönliche Bedürfnisse denen ihrer Bündnisgruppe unterzuordnen. Es kam einer Herausforderung gleich, aus allen Problemen diejenigen herauszufiltern, die allein ihre waren. Je länger Matthias daran arbeitete, desto bewusster wurde ihr, dass ihr die Zeit fehlte, um sich auf Lieutenant Ros Besprechung vorzubereiten, den Kindern Essen zu machen, ihnen ein Kapitel aus Die Abenteuer von Lin Marna und dem Grinthund vorzulesen und sich auf den Abendempfang mit den Cardassianern einzustellen.
Ihrem vernachlässigten Gatten zuliebe hatte sie ein Kleid in der Tasche – zusätzlich zu ihrer Galauniform – und wollte sich nach dem Treffen mit Ro umziehen. »Frag ruhig die anderen, Phil«, hatte er gesagt. »Ich bin mir sicher, niemand hat etwas dagegen, wenn du anstelle der ollen Uniform mal etwas Hübsches trägst.« Phillipa bezweifelte, dass derartige Argumente bei Admiral Akaar zogen. Dennoch trug sie beides mit sich – die Uniform für den Empfang und das Kleid für Sibias nach dem Empfang.
Wo bleibt dieser verfluchte Turbolift? Im Geiste ging Phillipa eine Checkliste durch. Die Babysitterin machte sich angeblich auf den Weg, sobald ihr Botanikexamen zu Ende war. Sibias hatte Mireh mittels Trikorder versichert, dass unter ihrem Bett nichts Gruseligeres als eine Haarbürste lauerte. Arios kam mit seinem Wissenschaftsprojekt gut voran. Und sie selbst hatte sich einen Termin bei einem Haarstylisten auf der Promenade gegönnt, der hoffentlich mehr aus ihren Haaren zu machen verstand, als sie zum Pferdeschwanz zu binden, wie sie selbst es tat. Heute Abend würde Phillipa ihre neue Kommandantin kennenlernen, und sie wollte einen guten Eindruck machen – auch wenn diese Colonel Kira nicht der Typ war, der viel Wert auf Frisuren legte.
Während ihres Studiums der Xenoanthropologie hatte Phillipa Matthias den Quadranten bereist und viele faszinierende Personen getroffen, aber niemand so Außergewöhnliches wie den Colonel. Wann immer Neuigkeiten von DS9 ihres Weges kamen, hatte Captain Sisko im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden, doch für Phillipa war Kira stets faszinierender gewesen. Sie hatte Kiras Aussage vor dem Tribunal nach Kriegsende mitverfolgt und sich gefragt, wie jemand den Spagat zwischen bajoranischer Widerstandskämpferin und Beraterin des cardassianischen Widerstands schaffen konnte. Sie hatte Kiras Körpersprache studiert, ihre Stimmlage, ihren Gesichtsausdruck und schließlich resignierend erkannt, dass sie im ganzen Quadranten keine Person kannte, die konzentrierter und überzeugter agierte als diese Frau. Und jetzt diene ich unter ihr. Nein, heute durfte sie nichts dem Zufall überlassen.
Hoffentlich passt meine Galauniform noch , dachte sie. Hatte sie das Ding seit Mirehs Geburt überhaupt mal angehabt? Wer im Kriegsgebiet Traumatisierte behandelt, kommt selten dazu, sich in Schale zu schmeißen. Ob Ro mir gestattet, mich im Sicherheitsbüro umzuziehen? Sie war derart in Gedanken, dass sie die näher kommenden Schritte kaum wahrnahm.
»Lieutenant Commander Matthias?«
Phillipa wirbelte herum. Colonel Kira, bereits in Galauniform gekleidet, war zu ihr getreten. Na bravo. Und ich stehe hier dumm herum. »Ja, Sir.« Sie schlug die Hacken zusammen und bemühte sich, den Colonel nicht zu überrascht anzustarren. Selbst wenn ihr Kiras Aussehen unbekannt gewesen wäre, hätte sie sie am fehlenden Ohrschmuck erkannt. Ihres Wissens war Kira die einzige Bajoranerin an Bord, die ihn nicht trug. Sogar Ro, deren Ohrring auf der »falschen« Seite war, stellte da keine Ausnahme dar.
»Rühren«, sagte Kira lächelnd. »Ich sah Sie warten und dachte, ich nutze die Gelegenheit, mich ungezwungener vorzustellen, als es der Empfang erlaubt. Schade, dass wir uns jetzt erst begegnen. Wie Sie vielleicht wissen, war es hier in letzter Zeit chaotischer als üblich.«
Endlich kam der Lift. Die Frauen stiegen ein, und Phillipa gab die Promenade als Fahrtziel an. Kira sagte nichts, schien also dasselbe Ziel zu haben.
»Das stört mich nicht«, sagte Phillipa. »Ich mag es, beschäftigt zu sein. Und meine bisherigen Patienten waren eine echte Herausforderung.«
»Soweit ich höre, ist Shathrissìa zh’Cheen da keine Ausnahme«, erwiderte Kira. »Mit der hatten Sie sicher alle Hände voll zu tun. Ich hatte gehofft, sie würde sich von selbst wieder fangen –
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