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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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plötzlich zu röten, und die Muskeln in seinen Armen und Beinen verloren ihre Elastizität. Er fühlte sich plötzlich so schwerfällig, wie eine Schlange sich fühlen mußte, wenn sie neun weiße Ratten auf einmal verschlungen hatte. Er blieb stehen, griff haltsuchend nach der Glaswand und bemerkte, daß die merkwürdige Röte in der Atmosphäre des Ladens auf osmotischem Wege in die Gänge hinausgedrungen war. All die Einkaufenden in West Georgia Commons, einschließlich der Kunden in der Tierhandlung, hatten aufgehört, sich zu bewegen; sie standen in traumartig erstarrten Posen, wo immer die schimmernde Röte sie erfaßt hatte.
    Cal selbst konnte sich kaum noch rühren; sein Blick wanderte über die bizarre Szenerie, und das Einkaufszentrum erschien ihm unversehens wie eine gewaltige klassische Ruine, gefüllt mit Schwarzkirschgelee. Jede Person in dem Tableau war ein kleines Häppchen im gefärbten Aspik der Stasis.
    »Mein Gott«, sagte Cal. Er hörte diese Worte, aber alles andere – fast alles andere – war still.
    Was nicht still war, schlug dumpf gegen das Glas hinter seiner Hand; als er hinschaute, sah er, daß ›Mein Bester Quetscher‹ die vorderen Windungen seines Körpers erhoben hatte und sich wie eine Spirale der drahtgitterbespannten Abdeckung des Käfigs entgegenhob. Wenn die Boa sich weiter aufrichtete, würde sie den Deckel wegschieben und in den Laden hinausquellen.
    »Bleib, wo du bist, Quetscher! Hier draußen gibt’s nichts für dich. Schwarzkirschengelee kannst du unmöglich wollen.«
    »Ich bin’s.« Die Boa hielt inne. »Haben Sie schon vergessen?«
    »Mr. Dick?«
    Die Boa mit ihrem stumpfnasigen Kopf, den kleinen Perlaugen und der zuckenden Zunge hypnotisierte Cal und ließ ihn erstarren, wie die Röte alle anderen hatte erstarren lassen. Nur, daß er sich, wenn er sich wirklich bemühte, bewegen konnte; was ihn bannte, war nur sein Erstaunen.
    »Vermutlich. Was immer mein Name ist, ich habe gestern morgen mit Ihrer Frau und gestern abend mit Ihnen gesprochen, und jetzt bin ich für ein paar Minuten wieder da.«
    Mit Mühe deutete Cal auf die groteske rot-schwarze Gelatine, die ringsum wabbelte. »Wie haben Sie das gemacht?«
    »Ich war das nicht, Pickford. Ich ziehe im Augenblick einen Nutzen aus diesem Phänomen, aber der wahre Urheber ist der Demiurg, dessen Bote ich bin. Das sehe ich jetzt.«
    »Demiurg?«
    »Die untergeordnete Gottheit, die für diese Realität verantwortlich ist. Sie kann hier tun, was sie will. Wir sind nur ihre Marionetten, so eigenständig wir uns selbst auch empfinden mögen.«
    »Ist nicht weit her damit«, bekannte Cal.
    »Yeah, na ja, stimmt schon. Gestern morgen kam ich als Auferstehungskörper von den Toten zurück. Gestern abend als Plasma, das die stoffliche Gestalt Ihrer Schwiegermutter umzitterte. Aber heute, ach, nur als gottverdammter herpetologischer Bauchredner. So muß Satan sich im Garten Eden gefühlt haben. Jedenfalls handelt es sich um eine umgekehrte Progression, Cal, eine Devolution, und ich weiß verflucht nicht, ob ich noch mal wiederkommen werde. Auf keinen Fall weiß ich, in welcher Form Sie mich das nächstemal sehen werden. Das gebe ich zu. Die Stimme, die mich benutzt – die mich durch diese Schlange sprechen läßt – ist unbeständig. Sie bemüht sich, den Ereignissen eine Ordnung aufzudrücken, genau wie Sie und ich es in unserem Alltagsleben tun. Unzulänglich.«
    »Mann. Sie verwirren mich höllisch.«
    »Hören Sie, es ist nur wichtig, sich daran zu erinnern, Pickford, daß es noch andere Realitäten gibt, und manche sind besser als die hier. Manche sind viel besser. Andere nur ein bißchen. Manche sind beängstigend viel schlimmer. Wenn ich körperlos bin, kann ich zwischen ihnen umherschweben und nach der besten aller existierenden Welten suchen, um auf der dann runterzuploppen. Nennen Sie es stereographische Imposition, wenn Sie der Sache einen Namen geben wollen.«
    »Ich will ihr gar nichts geben, Mr. Dick. Ich will nur raus aus dieser irren Schote, die Sie Lia und mir hier zumuten.«
    »Flattert wie ein Schmetterling und sticht wie eine … na, in diesem Zustand habe ich keinen Stachel. Der Tod übrigens auch nicht. Ich werde Hilfe brauchen, wenn ich überhaupt irgend etwas geschehen lassen soll. Ich kann von Realität zu Realität schweben, schauen und prüfen, aber meine Fähigkeit, eine stereographische Imposition zustandezubringen – die ist ernsthaft begrenzt. Wissen Sie, der Demiurg will mich nicht mit allzu

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