Dinner mit Rose
kleiner Scheißkerl«, knurrte Matt. »Ich war noch nie im Leben so nah daran, jemandem die Nase einzuschlagen.«
»Warum hast du es nicht getan?«, fragte ich.
»Ich habe ihm stattdessen einen Schlag in die Magengrube verpasst.«
»Du Held«, sagte ich bewundernd. »Einen harten, hoffe ich.«
»Er hat ihn zu Boden geschickt«, gab er zu.
»Hervorragend.«
»Ich dachte, du verurteilst Gewalt, Jose.«
»Bei Leuten, die ihre minderjährigen Freundinnen zu Partys mitschleppen, sie abfüllen und dann mit einer anderen in einem Schlafzimmer verschwinden, mache ich eine Ausnahme.«
Matt verzog einen Moment lang angewidert das Gesicht, dann hellte sich seine Miene auf. »Mit etwas Glück heißt das, dass er meine kleine Schwester nicht angerührt hat. Für solche Sachen ist sie noch viel zu jung.«
»Du Heuchler«, versetzte ich. »Wenn ich mich recht erinnere – und da bin ich mir ziemlich sicher –, hast du in Kims Alter alle möglichen unanständigen Dinge getrieben.«
»Stimmt ja gar nicht!«
»Du warst jedenfalls viel unanständiger als ich.«
»Jose, da waren ja sogar die Nonnen unanständiger als du damals auf der Highschool.«
»Auch wieder wahr«, gab ich betrübt zu.
»Erinnerst du dich an die Silvesterparty bei Wilsons, wo du eine halbe Dose Lion Red getrunken hast und in die Wollpresse gefallen bist?«
»War das die Party, auf der Alicia Beaumont dir die ganze Nacht am Hals gehangen hat? Mann, war das eine Nervensäge.«
»Ich war ja nicht an ihrer Persönlichkeit interessiert«, erwiderte er milde.
»Lebt sie noch hier in der Gegend?«, fragte ich.
Matt nickte. »Ich sehe sie manchmal in der Stadt. Sie hat sich ziemlich gehenlassen. Und sie hat mindestens drei Kinder.«
»Keins davon von dir?«
Er verzog schmerzlich das Gesicht.
»Das war während deiner Kurt-Cobain-Phase«, erinnerte ich mich. »Als du dir hellblonde Strähnchen gefärbt und Löcher in deine Jeans gerissen hast.«
»Und Tante Rose hat sie immer wieder geflickt.«
»War Alicia auch noch hinter dir her, als du keine sexy gebleichten Haare mehr hattest?«
»Natürlich«, nickte Matt. »Ich war ein toller Kerl.«
»Mhm«, stimmte ich zu und bemerkte dann entsetzt, dass ich das nicht nur gedacht hatte.
Er lächelte breit. »Danke. Du hast gerade dieselbe Farbe angenommen wie dieser Nagellack.«
»Ein netter Mensch hätte so getan, als hätte er das nicht bemerkt«, erwiderte ich bitter.
»Wahrscheinlich.« Er ging durchs Wartezimmer und öffnete die Eingangstür. »Du warst übrigens auch nicht übel.«
Und so war es seine Schuld, dass meine nächste Patientin mir, als sie endlich eintraf, als Erstes erklärte, dass meine roten Wangen vermutlich von unausgewogener Ernährung herrührten, und mir eine Chelationstherapie empfahl.
Tante Rose umklammerte die Lehnen des Brokatohrensessels im Wohnzimmer und zog sich mühsam auf die Füße. Ich kämpfte mich durch den Besuch der Hobbits bei Tom Bombadil in Der Herr der Ringe , das ich sogar noch langweiliger fand, als ich es in Erinnerung hatte, blickte auf und sah sie mit einem leisen Schmerzenslaut den Atem anhalten. »Was tut weh?«, fragte ich.
»Der Rücken«, erwiderte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
»Soll ich dich massieren?«
Sie schüttelte den Kopf und richtete sich langsam ganz auf. »Das würde nicht helfen, es ist kein Muskelproblem. Ich werde ein paar Tabletten nehmen.«
Ich schnitt eine mitleidige Grimasse. »Übelkeit und Rückenschmerzen ist ein bisschen viel auf einmal. Oberer oder unterer Bereich?«
»Unterer«, erwiderte Rose.
»Es gibt ein paar Dehnübungen, die helfen könnten.«
»Physiotherapeut ist zweifellos ein angesehener Beruf, Josephine, aber bei einer Geschwulst an der Wirbelsäule kann die Behandlung nicht viel ausrichten«, sagte sie trocken und ging langsam aus dem Zimmer; dann hörte ich das Knirschen und Zittern der alten Rohre, als sie sich ein Bad einließ.
Eine Geschwulst an der Wirbelsäule? Heilige Scheiße! Ich ließ mein Buch zu Boden gleiten, stand auf und holte das Telefon vom Couchtisch. Stus Telefon war entweder abgeschaltet oder der Akku war leer; ich erreichte nur die Mailbox: »’allo, Stuart ’ier, ’interlassen Sie eine Nachricht, und ich rufe zurück.« Diese Woche strich er scheinbar seinen ländlichen Yorkshireakzent heraus – erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Stu die Meinung vertritt, es wäre kein Verlust, wenn ganz Nordbritannien in ein tiefes Loch fallen würde. Einen Moment lang nagte ich
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