Dinner mit Rose
AS TELEFON KLINGELTE , und ich legte das stumpfeste Gemüsemesser der Weltgeschichte beiseite, ging durch die Küche und meldete mich. »Hallo, Jo hier.«
»Hallo, Schatz«, sagte meine Mutter. »Wie stehen die Dinge bei euch?«
»Miserabel«, erwiderte ich tonlos.
»Oh.«
Ich trat zu der Chaiselongue, kuschelte mich in eine Ecke und schlang die Arme um die Knie. »Sie will nicht essen, Mum. Ich glaube, sie versucht, sich tot zu hungern.«
»Ach, Süße.«
»Gestern hat sie gar nichts gegessen und vorgestern nur einen halben kleinen Becher Joghurt, weil Matt danebengestanden und sie quasi dazu gezwungen hat. Sie schnauzt uns an, und dann weint sie und entschuldigt sich – und das ist tausend Mal schlimmer. Mum, kannst du nicht eine Weile herkommen? Ich weiß, es ist eine ungünstige Jahreszeit, aber es könnte nicht mehr lange dauern, und ich bin allmählich mit der Situation überfordert.«
»Ich hatte vor, nächsten Monat für ein paar Tage zu kommen«, entgegnete Mum langsam. »Ich lasse deinen Vater nicht gern allein, wenn die Ziegen noch Junge werfen, aber ich bin sicher, er schafft es auch ohne mich, wenn es nicht anders geht.«
»Eher wäre besser. Mum, es tut mir leid …«
»Hör auf«, befahl sie. »Atme tief durch. Ich spreche mit deinem Vater, und wir sehen, was wir tun können.«
»Danke. Ich mache so früh mit der Arbeit Schluss, wie ich kann, und die anderen kommen alle jeden Tag vorbei, aber es wäre eine Erleichterung, wenn du auch da wärst.«
»Hilft Hazel euch nicht?«
»Sie zieht es vor, bei jeder Gelegenheit hysterisch zu werden«, sagte ich. »Man könnte meinen, Tante Rose stirbt nur, um sie zu quälen.«
»Das können wir nicht zulassen«, verkündete meine Mutter. Ich nehme an, Boadicea hat etwas ganz Ähnliches in demselben Tonfall gesagt, als sie vor ein paar tausend Jahren über die römische Besatzung Britanniens sprach. »Ist Rose jetzt wach, Liebes?«
»Ich seh mal nach.« Ich ging den Flur hinunter und spähte in ihr Schlafzimmer. Sie lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, öffnete aber eines, als ich näher kam. Ich legte eine Hand über die Sprechmuschel und formte mit den Lippen das Wort: »Mum.«
Rose nickte und streckte die Hand nach dem Telefon aus.
»Sie ist wach, ich gebe sie dir«, sagte ich zu Mum. »Liebe Grüße an Dad.« Und da ich mich nach dem Gespräch mit Edith Donnelly, ihres Zeichens eine Frau der Tat, etwas gestärkt fühlte, ging ich in die Küche zurück und suchte in den Schubladen nach einem Wetzstahl, um das nutzlose Messer zu schärfen.
Als ich am nächsten Abend um halb sechs in Roses Auffahrt einbog, war es schon fast dunkel. Im Kuhstall auf der anderen Straßenseite brannte Licht, und kleine Regentropfen prasselten zornig gegen die Windschutzscheibe. Ich umfuhr das bekannte Schlagloch, hielt auf den Obstgartenzaun zu (bei Regen musste man Roses Auffahrt wie ein Rallyefahrer hochpreschen) und sah plötzlich im Scheinwerferlicht einen kleinen hellen Körper zwischen zwei Pflaumenbäumen liegen.
Hätte ich sofort dort angehalten, hätte ich das Auto zum Fuß des Hügels zurückrollen lassen müssen, um ihn von unten erneut in Angriff zu nehmen, also fuhr ich weiter und parkte auf der Kiesfläche vor der Küche. Dann zog ich den Reißverschluss meiner Fleeceweste bis zum Kinn hoch, trat in die nasse Dämmerung hinaus und ging widerwillig wieder hinunter, um mir die Bescherung genauer anzusehen. Nur drei Hunde kamen unter der Verandatreppe hervor, um mich zu begleiten – Spud hatte Geschmack am Leben drinnen gefunden und beschlossen, dass er keine Lust verspürte, sich den Elementen auszusetzen.
Ich kletterte über den Obstgartenzaun, blieb mit meinen Jeans am Stacheldraht hängen und riss mir sowohl in den Stoff als auch in die empfindliche Haut der Innenseite meines Schenkels ein Dreieck. Ein neugeborenes Lamm lag seitlich ausgestreckt unter einem Pflaumenbaum. Ich bückte mich und berührte sein kleines Auge, doch es blinzelte nicht. Ein sentimentalerer Mensch hätte jetzt kummervoll über die Sinnlosigkeit nachgegrübelt, geboren zu werden, nur um gleich darauf sein Leben wieder auszuhauchen, aber ich war lediglich froh, nicht auch noch Lammaufzucht auf die Liste der an diesem Abend zu erledigenden Arbeiten setzen zu müssen.
Vermutlich gehörte das Lamm zu Mildred, obwohl ich keine Ahnung hatte, wer sein Erzeuger gewesen sein könnte – Edwin fehlte die nötige Ausstattung. Ich richtete mich auf, spähte in die einsetzende
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