Dokument1
dort Schach, nichts… nichts… nichts sonst«, beendete er stotternd den Satz.
»Ich frage dich noch einmal«, sagte Michael Cunningham.
»Was geht eigentlich vor, Arnie?«
Er dachte an den süßen, aufdringlichen Verwesungsgeruch, an Leigh, die sich mit beiden Händen an den Hals griff, während ihre Lippen sich blau verfärbten. Er hatte versucht, ihr auf den Rücken zu klopfen, weil man das tat, wenn jemand zu ersticken drohte, und weil er noch nichts von der Heimlich-Methode wußte, denn das war zu jener Zeit noch gar nicht erfunden, und außerdem war es Bestimmung, daß es so endete, nur nicht im Wagen… sondern daneben am Straßenrand, in seinen Armen…
Er schloß die Augen, “und die ganze Welt schien aus der Bahn zu geraten und zu taumeln.
»Arnie?«
»Nichts geht vor«, sagte er durch zusammengepreßte Zähne, die Augen geschlossen. »Ich Weiß nur, daß eine Menge Leute auf mir herumhacken, weil ich endlich etwas Eigenes habe, was ich mir selbst erarbeitet habe.«
»Schön«, erwiderte sein Vater, und die glatte Sprödigkeit seiner Stimme erinnerte Arnie an Mr. Slawson. »Wenn du mit mir darüber reden möchtest, findest du mich hier. Ich bin immer hiergewesen, obwohl ich das nicht immer so deutlich gesagt habe, wie es nötig gewesen wäre. Vergiß nicht, deiner Mutter einen Kuß zu geben, wenn du nach Hause kommst, Arnie.«
»Ja, ich werde es nicht vergessen. Hör zu, Mich…«
Klick.
Er stand in der Telefonzelle und wartete dümmlich auf ein Geräusch, das nicht kam. Sein Vater hatte eingehängt, und da war nicht einmal ein Freizeichen, weil das eine blödsinnige … verdammte … Telefonzelle war. Er holte das ganze Kleingeld aus der Tasche und legte es auf den kleinen Metallsims unter dem Münzapparat. Er griff nach einer Münze, hätte sie beinahe fallen lassen und schaffte es endlich, sie in den Schlitz zu stecken. Er fühlte sich krank, überhitzt, als habe er hohes Fieber.
Er wählte Leighs Nummer aus dem Gedächtnis.
Mrs. Cabot kam an den Apparat. Sie erkannte ihn sofort. Ihre angenehme Stimme - als sagte sie nicht »hallo«, sondern
»komm her, du faszinierender Unbekannter« - wurde abwei-send. Arnie hatte seine letzte Chance bei ihr gehabt, sagte diese Stimme, und er hatte sie verdorben.
»Sie möchte nicht mit dir reden, und sie möchte dich auch nicht sehen«, sagte sie.
»Mrs. Cabot, bitte, wenn Sie ihr nur…«
»Ich glaube, Sie haben ihr schon genug angetan«, erwiderte Mrs. Cabot kalt. »Sie kam das letzte Mal heulend nach Hause, und seither heult sie oft. Sie muß irgendeinen… etwas Schlimmes erlebt haben bei ihrem letzten Zusammensein mit Ihnen, und ich bete nur, daß es nicht das ist, was ich befürchte.
Ich…«
Arnie spürte, wie ein hysterisches Lachen in ihm hochkam.
Leigh wäre fast an einem Hamburger erstickt, und ihre Mutter befürchtete, er hätte versucht, ihre Tochter zu vergewaltigen.
»Mrs. Cabot, ich muß mit ihr reden.«
»Ich fürchte, das geht nicht.«
Er suchte nach einem Ausweg, an diesem Drachen vorbeizukommen. Er kam sich vor wie ein Hausierer, der versuchte, erst einmal ins Haus zu kommen. Seine Zunge versagte ihm den Dienst. Als Hausierer wäre er eine Niete gewesen. Gleich würde das harte Klicken ertönen und dann diese erbarmungslose Stille.
Dann hörte er, wie der Hörer in eine andere Hand wechselte.
Mrs. Cabot sagte etwas mit scharfer, protestierender Stimme, und Leigh sagte ebenfalls etwas, beides gedämpft, so daß er es nicht verstand. Dann sagte Leighs Stimme: »Arnie?«
»Hi«, sagte er. »Leigh, ich wollte dich nur anrufen, um dir zu sagen, wie leid mir das alles…«
»Ja«, unterbrach ihn Leigh, »ich weiß, daß es dir leid tut, und ich nehme deine Entschuldigung gerne an, Arnie. Aber ich will
- ich kann nicht mehr mit dir ausgehen. Falls sich die Lage nicht grundlegend ändert.«
»Verlange etwas Leichteres von mir«, flüsterte er.
»Das ist alles, was ich…« Ihre Stimme wurde schärfer, entfernte sich ein Stück von der Sprechmuschel. »Mama, bitte höre auf, an mir zu kleben wie eine Klette, wenn ich telefo-niere!« Ihre Mutter erwiderte etwas mit beleidigter Stimme.
Dann blieb es eine Weile still, und endlich wieder Leigh, doch diesmal mit leiser Stimme: »Das ist alles, was ich dir sagen kann, Arnie. Ich weiß, wie verrückt das klingt, aber ich bin immer noch überzeugt, daß mich dein Wagen damals umbringen wollte. Ich weiß nicht, wie so etwas überhaupt möglich sein kann, aber egal, wie ich es auch
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