Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
getan, und ich bin zurechtgekommen.«
»Die Würde der Regentschaft, mein Lord, ist wie die Würde des Königs nicht …«
»Ich habe Euch nicht herbestellt, damit Ihr mir einen Vortrag haltet«, unterbrach ihn Geder. »Ihr seid hier, damit ich Euch etwas sagen kann. Ich will nicht, dass morgens jemand kommt, um mich anzuziehen. Bringt mir die Kleider, richtet mir ein Bad und verschwindet. Versteht Ihr das? Ich will meine Privatsphäre, und ich werde sie mir nehmen.«
»Ja, Lordregent«, sagte der ältere Mann, seine Lippen vor Enttäuschung oder Missbilligung verkniffen. »Wie es Euch richtig erscheint.«
»Ist das ein Problem?«
Der Mann vibrierte beinahe, als widerstreitende Regungen hinter seinen wässrig blauen Augen miteinander rangen. »Die Tradition, Lord Palliako, und die Würde des Throns sprechen dagegen, dass ein Mann Eures Standes und Ranges als sein eigener Diener fungiert. Es mindert …«
»Zieht Euch aus«, sagte Geder.
»Mein Herr?«
»Eure Kleider. Zieht sie aus.«
»Ich weiß nicht …«
Geder erhob sich, um auf die unbewegten Gesichter seiner Leibgarde zu deuten. »Männer mit Schwertern stehen unter meinem Befehl. Ich bin der Regent von Antea. Ich sitze auf dem Gespaltenen Thron. Wenn ich Euch etwas befehle, eröffne ich keine Debatte. Zieht Eure Kleider aus.«
Bebend, seine Wangen flammend rot, öffnete der alte Mann seine Gewänder. Sein Unterhemd war aus blassgelber Seide. Auf seiner Unterwäsche war an der Seite ein Blutfleck, wo der alte Mann eine kleine, kreisförmige verschorfte Stelle hatte, eine Verletzung, die nicht abheilen wollte. Sein Schamhaar war hell wie weißer Käse, und sein Bauch hing herab. Geder stand auf. Inzwischen zeigte das Gesicht des Mannes weder Enttäuschung noch Missbilligung.
»Nun, mein guter Herr«, sagte Geder. »Was ist denn bloß los? Euch scheint das nicht zu gefallen.«
Der Diener sagte nichts.
»Oder doch?«
»Mein Herr?«
»Gefällt Euch das?«
»Nein, mein Herr.«
Geder ging zu ihm, bis sein Gesicht nur ein paar Fingerbreit von dem des alten Mannes entfernt war. Bei jedem Wort, das er sagte, zuckte der Diener zusammen. »Mir. Auch. Nicht.«
Geder machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Er hörte, wie seine Leibgarde ihm folgte und der Diener mit leisen Geräuschen seine fallen gelassenen Kleider aufsammelte. Und so einfach war es erledigt. Die rituellen Erniedrigungen am Morgen waren vorbei, und niemand würde darüber lachen. Nun strömte die Erleichterung, die das Töten von König Lechan ihm nicht verschafft hatte, in ihn hinein. Merkwürdig, wie die kleinsten Dinge im Leben die wichtigsten sein konnten. Er zog in Erwägung, seinen Zeitplan umzuwerfen und all die Audienzen abzusagen, die für heute vorgesehen waren. Er könnte mit seinen Büchern einen gemütlichen Ort aufsuchen und sich Essen und Trinken bringen lassen. Nun, da er etwas – eine Kleinigkeit – getan hatte, die nur für ihn zählte, schien alles möglich zu sein.
Aber nein. Noch nicht. All das konnte warten.
Der Bankier schien sich in der Herrlichkeit der Audienzkammer vollkommen zu Hause zu fühlen. Neben ihm saß Canl Daskellin, und die beiden lächelten und scherzten, als hätten sie heute Vormittag nicht den König von Asterilreich sterben sehen. Paerin Clark trug zurückhaltende Gewänder von schlichtem Schnitt. Am Tischende saß Basrahip, sein Lächeln freundlich wie eh und je. Geder sah sich nach Cithrin um, aber sie war nicht da. Er versuchte, sich seine Enttäu schung nicht anmerken zu lassen.
»Mein Lordregent«, sagte Daskellin, als sich alle außer Basrahip erhoben. »Danke, dass Ihr die Zeit gefunden habt.«
»Es ist mir ein Vergnügen«, erwiderte Geder. »Ich habe mich darauf gefreut, Euch zu treffen. Cithrin lobt Euch in den höchsten Tönen, selbst hinter Eurem Rücken.«
»Es freut mich, das zu hören«, antwortete Paerin Clark. »Sie lässt sich entschuldigen, mein Lord. Wir haben durch die Unruhe gewisse Verluste hinnehmen müssen, und die besondere Aufmerksamkeit von Magistra Cithrin wurde benötigt, um sich um einen Teil davon zu kümmern. Ich bin mir sicher, sie wäre gekommen, wenn die Umstände anders gewesen wären.«
Geder warf einen Blick auf Basrahip, der nickte. Ein Hauch von Unruhe, von dem Geder nicht einmal gewusst hatte, dass er ihn mit sich herumtrug, verflüchtigte sich. Er war froh, dass sie ihm nicht aus dem Weg ging. Und er hatte sich nicht darum bemüht, sie aufzusuchen, da nach seiner Ankunft alles so
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