Don Juan de la Mancha
Schalltherapie verwöhnt: Die Badewanne hat allerdings keine Lautsprecher, die Wanne selbst ist der Lautsprecher! Beim Baden überträgt das Wasser die Schwingungen, und der Badende spürt die Musik in ungeahnter Intensität in jeder Faser seines Körpers. Dazu kommt die harmonisierende Energie des eingebauten Magnetfelds.
Das Einzige, was ich nicht verstand, war, warum die Wanne Crystal-Plus hieß, und nicht Uterus-Forte.
66.
Ich ließ heißes Wasser nachrinnen. Wie hatte ich das vergessen können? Dass ich die Grenze nicht suchen musste. Ich war die Grenze. Der Grenzfall. Ich werde, so Piroska, was immer ich mache, zugleich der andere sein. Der mit dem »Du«-Häferl sozusagen, der, während er Ich sagt, auf einen anderen blickt, der das »Ich«-Häferl hat. Piroska hatte mich eines Tages gefragt, ob ich schon einmal zu einer Freundin Mausi oder Mäuschen gesagt habe. Ich musste gestehen, ja. Warum? Piroska grinste. Ich erinnere sie an ihre Mutter. Diese hätte immer große Angst davor gehabt, dass Mäuse ins Haus kommen, damals noch in Ungarn. Zur Sicherheit habe sie immer eine Mausefalle in der Küche aufgestellt. Es sei aber nie eine Maus in der Falle gewesen. Also habe es keine Maus in der Küche gegeben, es sei auch nie eine gesehen oder auch nur gerochen worden. Gut? Nein. Die Mutter, so Piroskas Eindruck als Kind, sei enttäuscht gewesen. Da habe sie eine Falle gehabt, aber nichts damit gefangen. Sie habe Mäuse gehasst, aber ebenso, keine Maus zu haben, wenn sie schon eine Falle aufstellte. Verstehst du?
Ja.
Was machte Piroska heute? Lebte sie noch? Das war eine Aufgabe, wie sie mir Prohaska damals manchmal gestellt hatte: eine Telefonnummer herauszufinden. Und wenn sie nicht im Telefonbuch stand, jemanden zu finden, der die Person kannte und mit ihr in Kontakt war. Hannah. Jetzt erst fiel mir die Ähnlichkeit zwischen den beiden Frauen auf. Mamme. Ich habe damals Piroska von Niki Nosseck erzählt, und von Steffi Slama. So wie ich Hannah wohl von ihnen erzählen werde. Plötzlich ging mir das Wasser auf die Nerven. Es war wie ein nasses Bett. Ich stieg aus der Wanne. Ich hatte Hunger. Ich fand ein Huhn im Kühlschrank, Wurzelgemüse, Kräuter, Käse und Schinken. Mein Lieblingsbier. Auf dem Tisch lag frisches Brot. Meine Frau hatte für das Wochenende eingekauft und alles dagelassen. Ich beschloss, eine Hühnersuppe zu kochen. Ich füllte einen Topf mit Wasser, gab das Huhn und eine Zwiebel dazu, schnitt die Wurzeln, aß einen Teil davon roh, trank ein Bier, aß zwei Käsebrote, während die Suppe kochte. Ich trank noch ein Bier, während ich in der Küche saß, auf den Topf starrte und von Zeit zu Zeit kostete. Als die Suppe fertig war, hatte ich keinen Hunger mehr. Sie widerte mich an. Ich warf das Huhn in den Mülleimer und schüttete die Brühe ins Klo.
Ich setzte mich in den Schaukelstuhl. Ich wußte nicht, was ich tun sollte, um so müde zu werden, dass ich schlafen konnte. Ich trank noch ein Bier. Mir fielen Wörter ein, über die ich minutenlang nachdachte, zum Beispiel: INNENEINRICHTUNG. Einfach nur einzelne Wörter ohne Sinn und ohne Zusammenhang. Die immer rätselhafter wurden, je länger ich sie schwimmen ließ in meinem Kopf: INNEN … EIN … RICHTUNG …
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Wer begehrt, kann nie befriedigt werden. Hatte Piroska gesagt. Oder hat das Hannah gesagt? Die Befriedigung wäre der Tod der Begierde. Nichts und niemand will sterben. Auch die Begierde nicht. Sie wehrt sich. Was sich im Bett abspielt, ist der Todeskampf der Begierde, ihr Aufbäumen, die Euphorie, dann aber nicht ihr Ende, sondern der Sieg der psychischen Intensivmedizin. Sie hat die Gefahr besiegt: die Befriedigung liegt gemetzelt darnieder. Was wir für Befriedigung halten, ist nur körperliche Erschöpfung.
War ich tot? Ich hatte keine Lust mehr. Ich versuchte, mich mit Pornos zu behelfen. Exkurs über Sex im Film. »Alle Lust will Ewigkeit«, das war der Titel einer Porno-DVD, die ich in einem Laden namens »Sex-Tempel« gekauft hatte. (Wieso käme niemand auf die Idee, ein solches Etablissement »Sex-Kirche«, gar »Sex-Kathedrale« oder »Sex-Moschee« zu nennen? Neben dem Tempel befand sich ein Plakatständer, der eine Veranstaltung des »Gedenkzentrums Knochenfabrik« ankündigte. »KANN MAN DEN HOLOCAUST UNTERRICHTEN? Podiumsdiskussion anlässlich des 60. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz. Teilnehmer: Mag. Siegfried Maierhofer, Pädagoge; Prof. Dr. Markus Weber, Historiker; Aharon Schnitzer, Rabbiner; Dr. Klaus
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